PUBLIKATION

Zentralplus / ZNB

ZUSAMMENARBEIT

Andreas Busslinger (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

17.12.2023

LUCKYPUNSH MIT WASSERBüFFELN

 

Landwirt Ivo Knüsel vom Biohof Breiten in Rotkreuz hat alle Milchkühe verkauft und sich als erster Büffelzüchter in der Zentralschweiz etabliert. Seinen «Mozzarella di bufala» findet man mittlerweile auch in der Migros. Eine Erfolgsstory!

 

Wasserbüffel passen defnitiv nicht ins Bild eines typischen Schweizer Bauernhofs. Man sieht sie vor allem  in Indien und Pakistan. Wie kamen die behornten Tiere auf Ihren Hof?

 

Angefangen hat alles damit, als ich 2003 die Meisterprüfung zum Landwirt absolvierte. In der Diplomarbeit  galt es, ein Projekt auszuarbeiten, das eine «wesentliche Veränderung auf dem eigenen landwirtschaftlichen Betrieb»  beinhaltete. Ich war ratlos. Mein Vater und ich hatten in den letzten Jahren auf unserem Hof schon unzählige Veränderungen vollzogen: wir gaben die  Produktion von Tafel- und Brennkirschen auf, wir schufen eine Nische mit dem Weinbau, wir stellten den ganzen Betrieb auf Bio um, wir kauften 2000 Legehennen und 2500 Junghennen und wir vergrösserten unsere landwirtschaftliche Fläche um einen Drittel. Jetzt sollte ich mich für diese  Prüfung schon wieder neu erfinden? Das konnte nicht sein!

 

Die Fragestellung brachte Sie in Verlegenheit?

 

Allerdings. Doch zufällig lernte ich in Muri einen Käser kennen, der auf der Suche nach einem Bauer war, der ihm Milch von Wasserbüffeln  lieferte. Ich staunte. Denn bis dahin wusste ich nicht einmal, dass man Wasserbüffel melken kann. Je mehr ich mich mit den Büffeln befasste, desto  klarer wurde für mich, dass dies tatsächlich eine Chance für unseren Betrieb sein könnte. Ein Büffel braucht kein Hochleistungsfutter. Ihm reicht  faserreiches Futter, ein kostbarer Rohstoff, den auch unser Hof abwirft. Das Tier passte also perfekt auf unseren Biobetrieb. Als ich das Büffelprojekt  durchrechnete und sich zeigte, dass sich mit der Milch Geld verdienen lässt, trat ich in Kontakt mit den Gebrüdern Stähli aus dem Val de Travers, den  grössten Büffelzüchtern der Schweiz. Die beiden Profis züchten seit 1999 erfolgreich italienische Wasserbüffel aus dem Raum Neapel/Palermo, eine  Kreuzung mit sehr guter Genetik.

 

Waren nicht massive bauliche Veränderungen für die Umstellung nötig?

 

Der Aufwand hielt sich in Grenzen. Denn die Infrastruktur der Milchtechnik, in die ich bislang für die Milchkühe investierte, konnte ich auch für  die Büffel verwenden. Ich musste lediglich den Melkstand etwas weiten, weil die Büffel deutlich breiter sind als die Kühe. Im Jahre 2005 standen  bereits 14 Büffel auf meinen Hof. Und ein Jahr später kamen die ersten Kälber zur Welt.

 

Einen Abnehmer für die Büffelmilch hatten Sie?

 

Mein erster Partner war der Käser aus Muri, der mich damals auf die Idee mit den Tieren brachte. Mit ihm arbeitete ich drei Jahre lang  zusammen. Als ich meinen Büffelbestand auf 20 Stück hochfuhr und von Jahr zu Jahre mehr Milch für die Verarbeitung hatte, konnte er nicht mehr  mithalten. Dazu muss man wissen: Büffelmilch kann man nicht ewig einfrieren. Spätestens nach neun Monaten muss sie verarbeitet werden.

 

Von welchen Mengen sprechen wir?

 

Anfangs produzierte ich jährlich rund 25'000 Liter, mit dem grösseren Büffelbestand dann zwischen 40'000 und 50'000 Liter. Hierfür war die  Chäs-Hütte in Meierskappel ein idealer Partner. Denn diese befindet sich nur einen Katzensprung von meinem Hof entfernt. Sie hatte zwischenzeitlich  ihre Emmentaler-Produktion eingestellt und zeigte sich interessiert an einem Nischenprodukt. Allerdings: Büffelmilch zu verarbeiten ist nicht ganz  einfach. Während Kuhmilch so einiges verzeiht, ist Büffelmilch heikel. Vieles kann schiefgehen. Und es ging anfangs auch vieles schief. Bis wir ein  marktreifes Produkt verweisen konnten, brauchte es unzählige Testläufe. Beim Experimentieren gingen einige Liter Milch verloren, die wir als  Schweinefutter verwerten mussten. 

 

Wie definieren Sie ein marktreifes Produkt?

 

Es sollen schöne Mozzarellakugeln sein, die nicht schon nach fünf Tagen im Wasser zerfallen, sondern 28 Tage lang haltbar sind. Für den  Schweizer Markt ist die Haltbarkeit sehr wichtig. Der Schweizer kauft Mozzarella, wartet dann ein paar Tage und macht irgendwann einen «Tom-  Mozz»-Salat. In Italien ist dies anders. Die Italiener essen Mozzarella wie Schweizer Äpfel.

 

Jetzt übertreiben Sie!

 

Nein, ich habe das vor Ort in Palermo gesehen. Da marschieren Frauen in die Käsereien und kommen mit einem Plastiksack raus, in dem ein  Dutzend frischer Mozzarellakugeln im Salzwasser schwimmen. Die kippen sie dann in eine Schüssel, stellen diese in den Kühlschrank und innert  Kürze sind die Kugeln gegessen.

 

Wie kam es zur Zusammenarbeit mit der Migros, rief da eines Tages der Produktechef an?

 

Das Telefon klingelte tatsächlich, aber nicht der Chef war dran, sondern eine Sekretärin, eine Kollegin meiner Schwester. Die Dame musste für  das Kader in Dierikon einen Ausflug organisieren und fragte, ob man unseren Hof besichtigen könne. Wir sagten zu und stellten einen Event auf die  Beine. Auf unserem Rebberg empfingen wir die Gäste, präsentierten unsere Produkte und führten die Gruppe durch unseren Hof. Die Gäste waren  beeindruckt – auch von den Wasserbüffeln, aus denen mittlerweile nicht nur Milchprodukte, sondern auch Salami und Rauchwürste produziert  wurden. Ich erinnere mich noch genau an diesen Event. Es war ein Freitag.

 

Ein Freitag, der Ihr Leben veränderte?

 

Das kann man so sagen. Bereits am Montag darauf klingelte mein Telefon. Diesmal war der Boss der Migros Dierikon dran und liess mich  wissen, dass man auf der Suche nach einem neuen Produkt für die Linie «Aus der Region für die Region» sei. Ob ich in der Lage wäre, die Migros zu  beliefern. Als ich eine mündliche Absichtserklärung für die Abnahme der Milch erhielt, zögerte ich nicht. Auch mein Käser gab Vollgas. Zusätzlich  zum Mozzarella produzierten wir für die Migros drei Sorten Joghurts, was Sinn macht. Mozzarella ist in der Schweiz ein Sommerprodukt, Joghurts  werden ganzjährig gekauft. Zudem sind sie wirtschaftlich interessanter. Um 1 Kilo Joghurt zu produzieren, brauche ich 1 Liter Milch. Um 1 Kilo  Mozzarella zu produzieren, brauche ich 5 Liter Milch.

 

Aber ein Büffel gibt doch sicher deutlich weniger Milch als eine Kuh?

 

Das ist korrekt. Ein Büffel gibt etwa 2000 bis 2500 Liter Milch pro Jahr. Das ist nur etwa ein Drittel der Menge, die eine durchschnittliche  Schweizer Bio Milchkuh leistet, welche ihre Milch ebenfalls ohne zusätzliches Kraftfutter produziert. Aber die Menge ist beim Büffel auch nicht  matchentscheidend. Wenn man auf Milchleistung züchtet, reduziert sich automatisch der Milchgehalt. Unser Ziel ist eine gehaltvolle Milch mit 5 Prozent Anteil Eiweiss und 7,5 Prozent Anteil Fett. Das schaffen wir. Und der Erfolg gibt uns recht. Im Jahre 2010 gewannen wir mit unseren Joghurts  den Migros-Herzblut-Preis.

 

War die PR-Spritze verkaufsfördernd?

 

Der Verkauf ging durch die Decke! Innerhalb von zwei Wochen stieg der Absatz von 3000 Joghurts pro Woche auf 22'000. Es gab kein Halten  mehr. Zum Glück hatte ich noch gefrorene Milch an Lager, sonst hätte ich die Nachfrage nicht stillen können. Wir waren gewaltig am Rotieren. 

 

Und dies alles, weil Sie die Meisterprüfung absolvierten, um Lehrlinge ausbilden zu können. 

 

Und weil ich bereit war, ein Risiko einzugehen und eine Chance gepackt habe. Als wir den Preis gewonnen hatten, war klar: jetzt setzte ich  ganz auf die Wasserbüffel. Ich verkaufte auch noch die restlichen Milchkühe und importierte weitere 20 Büffel. Mittlerweile stehen 40 Büffel auf  meinem Hof. Fast ebenso viele Tiere sind zur Aufzucht auf diversen Höfen in der Umgebung ausgelagert. Für mich passt es. Ein Drittel des  Einkommens erzielen wir mittlerweile mit den Büffeln.

 

ENDE LAUFTEXT

 

Tierische Geschichten aus dem Kanton Zug  Neuausrichtung der GGZ-Publikation ab 2024

 

Das Interview mit Ivo Knüsel ist im Zuger Neujahrsblatt (ZNB) erschienen. In der diesjährigen Ausgabe dreht sich alles um Tiere. Valeria Wieser  schreibt über «Tiere, die die Welt verbessern» und zeigt auf, inwiefern Menschen von Vierbeinern profitieren, weil sie Dinge wahrnehmen, die uns  Zweibeinern verborgen bleiben. Kristina Gysi befasst sich mit wilden Tieren im Siedlungsgebiet und beschreibt, wie dank dem Projekt «wilde  Nachbarn» Wissensvermehrung für Igel, Marder, Fuchs & Co. betrieben und die Bevölkerung für die tierische Umwelt sensibilisiert wird. Falco  Meyer nimmt sich der Fragestellung von Tier und Tod an und liefert Antworten über Ethik, Handwerk und Moral, die er von einem Metzger, einem  Tierethiker, einem Tierarzt und einer Vegetarierin erhalten hat. Therese Marty berichtet von ihrem Besuch bei Menschen, die sich Haustiere halten  und legt dar, welche Beziehung Halter zu ihrem hochobskuren oder niedlichen Gefährten pflegen. Laura Sibold beschreibt, warum invasive  Tierarten wie der Maiswurzelbohrer oder die Quaggamuschel den Kanton Zug erobern und was man gegen die unliebsamen Schädlinge  unternimmt. Sabine Windlin zeigt auf, warum drei Zuger Landwirte der Milchkuh den Rücken kehrten, auf die Zucht von Wasserbüffeln, Galloway-  Rindern und Milchschafen umgestellt haben und erfolgreich Fleisch, Käse und Joghurt verkaufen. Pirmin Beeler reichert das Magazin mit  Illustrationen aus dem Tierpark Goldau an, Judith Stadlin und Michael van Orsouw steuern eine Tiergeschichte bei und die Beilage des ZNB  widmet sich der beeindruckenden Tierpräparatesammlung der Kantonsschule Zug. Das aktuelle Neujahrsblatt ist die letzte Ausgabe, die unter der Leitung von Chefredaktor Dieter Müller realisiert und von den Grafikern Miles  Peyer und Sandro Zorzenone gestaltet wurde. Ab 2024 gibt es eine Neuausrichtung des von der Gemeinnützigen Gesellschaft herausgegebenen  Magazins. Es übernehmen Christian Peter Meier (Chefredaktion) und Christine Suter (Gestaltung).

 

Aktuelle Ausgabe: «ZNB Tierisch», 111 Seiten, farbig; Preis: 39 Franken, GGZ-Mitglieder erhalten das Heft für den Mitgliederbeitrag von 20 Franken  kostenlos; Herausgeberin: Gemeinnützige Gesellschaft Zug; Druck: Kalt Medien AG, Zug; Auflage: 2000 Exemplare; Bezugsquelle: Buchhandel  ISBN: 978-3-85761-346-3