PUBLIKATION

Zuger Neujahrsblatt

ZUSAMMENARBEIT

Andreas Busslinger (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

21.11.2023

BOCK AUFS MILCHSCHAF

 

Mit Schafen hatte der Menzinger Landwirt Niklaus Elsener lange nichts am Hut. Bis er sich betrieblich neu ausrichtete und eine Herde mit ostfriesischen und südfranzosischen Tieren anschaffte. Der aus Schafmilch produzierte Käse und die Joghurts sind gefragte Nischenprodukte und werden ab Hof und auf dem Markt verkauft.

 

Wir stehen auf Ihrem Hof in Edlibach bei Menzingen, wo Sie aufgewachsen sind. Im Stall stehen  68 Schafe – kein einziges meckert. Was ist los?

 

Die Tiere sind am Fressen. Da gibt es nichts  zu meckern. Wenn sie fertig sind, lasse ich sie auf die  Weide.

 

Schafe sind in der freien Wildbahn Nomaden und ziehen täglich ein Stück weiter.

 

Das stimmt und dessen bin ich mir bewusst.  Auf dem Hof, den ich von meinen Eltern übernommen  habe, befindet sich mit 11 Hektaren Weideland in  unmittelbarer Nähe zum Stall genügend Fläche für  den Auslauf sämtlicher Tiere. Die Zäune setzen wir jeden Tag neu, sodass die Schafe immer frisches Gras haben und in Bewegung sind. Das macht Sinn. Dann fressen sie nicht da, wo sie vorher schon gekotet  haben. Gleichzeitig wird mit dieser Art von Weidemanagement das Risiko für Wurmbefall reduziert, für den Schafe anfällig sind.

 

Sie besitzen sowohl Milchschafe als auch Fleischschafe. Wo liegt der Unterschied?

 

In der Genetik. Das Fleischschaf ist dahingehend gezüchtet, dass es Fleisch ansetzt. Entsprechend voluminös ist das Tier. Es gibt nur so viel Milch, dass es für die Aufzucht der Lämmer reicht. Das Milchschaf  hingegen – bei ihm liegt mein Schwerpunkt – ist genetisch auf Milchleistung gezüchtet. Es gibt auch dann noch reichlich Milch, wenn das Lamm gross ist; zwischen einem halben bis zwei Liter pro Tag. Ich kann es während sieben bis acht Monaten melken. Auch bezüglich Aussehen gibt es Unterschiede. Milchschafe haben ein grosses und breit angesetztes Euter. Bauch, Beine und Schwanz sind unbewollt.

 

Erzählen Sie von Ihren Anfängen als Schafzüchter.

 

Als ich mich vor rund zehn Jahren vom Braunvieh verabschiedet hatte, kaufte ich 50 weisse Ostfriesenschafe. Die sind anpassungsfähig und umgänglich. Die Leistungsmerkmale des ostfriesischen  Milchschafes sind vom Zuchtverband mit den berühmten «3 F» zusammengefasst. 

 

Friedlich, fleissig, flink?

 

Nicht ganz. Die Abkürzung steht für Frühreife, Fruchtbarkeit und Frohwüchsigkeit. Letzteres  bedeutet nichts anderes, als dass die Tiere schnell wachsen. Bereits im Alter von sechs bis sieben  Monaten haben die Jungschafe ihre Zuchtreife erreicht. Und im Alter von einem Jahr bringen sie  ihre ersten Lämmer zur Welt. Vor zwei Jahren habe ich ergänzend zur Herde noch 20 südfranzösische  Milchschafe der Rasse «Lacaune» angeschafft. Die sind etwas temperamentvoller als die Ostfriesen.

 

Verstehen sich die Ostfriesen und Südfranzosen?

 

Ja, schliesslich  teilen sie sich den Stall und verbringen die Zeit zusammen auf der Weide. Die gesamte Herde  habe ich so konzipiert, dass die eine Gruppe ihre Lämmer im Frühling, die andere Gruppe ihre Lämmer  im Herbst zur Welt bringt. So habe ich immer genügend Milch, die ich verkäsen kann. Da die Milch innerhalb von zwei bis drei Tagen verarbeitet  werden sollte, bin ich ein- bis zweimal pro Woche am Käsen.

 

Welche Produkte stellen Sie her?

 

Milch, Hart- und Halbhartkäse. Hinzu kommt in Rapsöl und Kräuter eingelegter Frischkäse,  Streichkäse, Joghurt mit diversen Geschmacksrichtungen  und neuerdings auch Raclettekäse. Für  den Halbhartkäse pasteurisiere ich die Milch.  Für den Hartkäse nicht. Unterschiede gibt es auch  bei der Lagerung. Der Halbhartkäse kommt ab der fünften Woche in den Verkauf. Der Raclettekäse  muss zwölf Wochen lagern. Und der Hartkäse wird mindestens sieben Monate gelagert. Je länger  der Hartkäse reift, desto besser wird er im Geschmack.  Zu den Kunden gelangen die Produkte über  unseren Hofladen und diverse lokale Geschäfte. Zudem bin ich passionierter Marktfahrer. Seit neun  Jahren bin ich jeden Samstag auf dem Landsgemeindeplatz in Zug präsent. Und seit kurzem bediene ich auch die Kundschaft auf dem Markt im aargauischen Rheinfelden.

 

Das heisst, der Absatz steigt?

 

Sagen wir es so: Der Bekanntheitsgrad meiner Produkte steigt, und ich bin sicher, dass sich dies  langfristig auch positiv auf den Absatz auswirken wird. Dahinter steckt aber viel Arbeit. Und ohne  die Mithilfe meiner Frau Sarah wäre der Aufwand  gar nicht zu stemmen. Zusätzlich zur Arbeit auf dem  Betrieb bin ich in einem kleinen Nebenjob bei der Wassergenossenschaft angestellt. Das gibt mir als dreifachem Familienvater eine gewisse finanzielle  Sicherheit.

 

Haben Sie sich das Käsen selbst beigebracht?

 

Nicht ganz. Der Plan war ursprünglich, dass ich  die Milch von einem Käser verarbeiten lasse. Ich  hatte auch bereits eine Zusage, doch der Käser zog sich überraschend zurück. Also  suchte ich einen anderen Verarbeiter in der Nähe. Aber ich wurde nicht fündig. Und die Milch über weite Distanzen liefern, das wollte ich nicht. Da beschloss ich, das Käsen selber zu erlernen. Ich kontaktierte einen milchwirtschaftlichen Berater, der mich ausbildete, kaufte die nötige Infrastruktur,  realisierte einen Anbau und startete mit der Verarbeitung. Käsen, das merkte ich schnell, ist eine anspruchsvolle  Aufgabe. Vieles steht im Lehrbuch und  trotzdem kann manches schiefgehen. Ein gefürchteter Gast in der «Chäsi» sind bekanntlich die Buttersäurebakterien.  Wenn diese in die Milch gelangen, bläht sich der Käse zwischen der vierten und achten Woche wie ein Ballon auf und ist nicht mehr geniessbar.

 

Ist Ihnen das auch schon passiert?

 

Leider, ja, und zwar am Anfang meiner «Käser-Karriere». Damals fütterte ich die Schafe noch  mit Silage, also mit Futtermittel, das durch Gärung  konserviert wird. Vermutlich sind die Buttersäurebakterien auf diesem Weg in die Milch gelangt. Als ich den Käsekeller betrat, traute ich meinen  Augen nicht. Ein Teil der Laibe war aufgebläht und musste eliminiert werden. Insgesamt verlor ich so rund 100 Käselaibe, was rund 70 Kilo entspricht. Seither gebe ich meinen Schafen statt Silage nur  noch frisches Gras von der Weide und trockene Graswürfel  zum Fressen und habe Ruhe vor den Bakterien.

 

Schafmilch ist gewöhnungsbedürftig.

 

Ich empfinde sie als bekömmlich und zurückhaltend  im Geschmack. Schafmilch hat zudem einen  hohen Fett- und Eiweissgehalt, weshalb sie schön sämig ist. Das Fett ist nicht gesättigt und gut verdaulich. Zudem ist Schafmilch laktosearm, weshalb sie sich gut für Allergiker eignet.

 

Gestaltet sich das Melken der Tiere ähnlich wie  bei den Milchkühen?

 

Ja. Der Melkstand ist allerdings deutlich kleiner.  Platz haben darin zwölf Schafe. Damit das Melken  reibungslos funktioniert, gebe ich den Schafen jeweils ein «Zückerchen», in Form von Kraftfutter. Das essen sie, während sie gemelkt werden. Das Prozedere verläuft meistens sehr ruhig. Denn die Schafe sind aufgrund des Milchdrucks ja auch froh, wenn sie gemelkt werden. Mit den sechs Aggregaten, die mir zur Verfügung stehen, dauert das Melken der ganzen  Herde rund eine Stunde. Und genau wie bei den Kühen muss ich einmal morgens und einmal abends melken. Wichtig ist, dass das Melken immer etwa zur gleichen Zeit erfolgt. Bei mir ist das abends um sechs Uhr und morgens um halb fünf.

 

Etwas später ginge nicht?

 

Doch, aber ich bin Frühaufsteher. Mir gefällt  die Arbeit bei Tagesanbruch. Es ist ruhig, niemand  stört und draussen ist es noch dunkel.