PUBLIKATION

GGZ Jahresbericht

ZUSAMMENARBEIT

Benni Weiss (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2023

TAGESMüTTER - KEIN AUSLAUFMODELL!

 

Die KiBiZ-Tagesfamilien sind eine beliebte Alternative zur Kinderbetreuung in Kitas. Das Modell besticht durch Konstanz bei Bezugspersonen und grosse Flexibilität bei der Ausgestaltung des Betreuungsverhältnisses.

 

Einen netten Mann kennenlernen, heiraten, Kinder bekommen und sich voll und ganz der Aufgabe als Mutter widmen – Stefanie Ackermann wusste schon als Teenager, dass dieses Lebensmodell für sie dem Ideal entsprach. «Heute klingt das vielleicht etwas altmodisch. Aber für mich war immer klar, dass ich meine Kinder nicht extern betreuen lassen wollte. Nicht, weil ich etwas gegen Kitas habe, sondern weil ich überzeugt war, dass mich die Arbeit als Vollzeitmutter erfüllt.» Heute, mit 35 Jahren und als dreifache Mutter kann sie bestätigen, dass dem so ist. Mehr noch: Als zweifache Tagesmutter kümmert sich Stefanie zeitweise auch noch um externe Kinder. Dann sorgen im Hause Ackermann fünf Kinder für Action. Es sind dies ihre drei Kinder Sophia (4 ½) Lukas (2 ½) und Nico (3 Monate) sowie die beiden Tageskinder Nia (4) und Tristan (1 ½).

 

Im Moment ist allerdings eine spezielle Zeit. Denn Stefanie befindet sich noch im 14-wöchigen Mutterschaftsurlaub und die Tageskinder kommen erst in drei Wochen wieder zu ihr. Der kleine Nico geniesst es, trinkt zufrieden an der Brust und blinzelt mit den Augen. Er lässt sich nicht vom Besuch ablenken, der heute Morgen zum Gespräch nach Neuheim gekommen ist und erfahren will, wie der Alltag einer Tagesmutter aussieht und welche Rolle dabei die GGZ bzw. KiBiZ spielt, jene Organisation, die das Tagesfamilienangebot im Kanton Zug im Auftrag von 10 Gemeinden vermittelt und organisiert und als Aufsicht die Qualitätskontrolle sicherstellt. Unbestritten ist: Als Alternative zur Kita erfreut sich dieses Modell grosser Beliebtheit. Entsprechend gut ausgelastet sind die 80 Tagesmütter im Kanton Zug. Nia, die im gleichen Haus wohnt, kommt fix 3 Tage pro Woche, Tristan, der in einem anderen Quartier wohnt, 1 bis 2 Tage. Seine Mutter arbeitete als Kursleiterin, hat unregelmässige Arbeitszeiten und ihre beruflichen Verpflichtungen ändern sich von Monat zu Monat. Stefanie reagiert mit der nötigen Flexibilität darauf – ein Service, den eine Kita nicht bieten kann.

 

Die Konstanz zu der immer gleichen Bezugsperson, der Aufbau einer persönlichen Beziehung zwischen Tagesmutter und Tageskind und eine hohe Flexibilität bei der Ausgestaltung der Betreuungsverhältnisse sind denn auch jene Aspekte, die abgebende Eltern an diesem Modell schätzen. «Auch ich als Tagesmutter sehe die Vorteile. Ich erlebe mit, wie sich die Tageskinder entwickeln, kenne ihre Launen, weiss, was ihnen Spass macht, und kann individuell auf sie eingehen, wenn es ihnen mal nicht so gut geht», so Stefanie. Nia (sie stiess als Zweijährige zur Familie) und Tristan (er kam schon im Säuglingsalter zu Stefanie) sind mittlerweile ein Teil der Ackermann-Familie und – das macht die Sache besonders erfreulich – verstehen sich blendend mit Stefanies Kindern. Als der kleine Nico zur Welt kam, nahmen die Tageskinder so begeistert am neuen Erdenbürger Anteil, als wäre ihr eigenes Geschwisterchen zur Welt gekommen. Umgekehrt, so Stefanie, erhalte sie als Tagesmutter Einblick in andere Familien, lerne nette Eltern kennen, erfahre Wertschätzung und profitiere von einem Zusatzverdienst. Je nach Stunden, die sie ergänzend an Randzeiten oder Wochenenden anbietet, kommt sie auf ein Einkommen von 600 bis 1500 Franken. «Geld», so Stefanie, «das ich verdient habe, ohne dass ich meine Kinder weggeben musste.»

 

Umgekehrt erlauben die einkommensabhängigen und von den Gemeinden subventionierten Tarife es auch Eltern mit geringem Einkommen, ihr Kind in eine familienergänzende Betreuung zu schicken. Beispiel: Ein Ehepaar aus Baar mit einem steuerbaren Einkommen von 50’000 Franken, das sein dreijähriges Kind zwei Tage die Woche bzw. 20 Stunden pro Woche betreuen lässt, bezahlt im Monat für Betreuung und Verpflegung ein Total von 658 Franken. Wird das gleiche Angebot von einer Familie beansprucht, die aufgrund eines höheren Einkommens den Maximaltarif bezahlt, kostet es 1130 Franken.

 

Was pädagogische Konzepte und Erziehungsstil angeht, mag Stefanie klare Regeln, Ansagen und Strukturen, was nicht heisst, dass ihr Verhältnis zu den Kindern nicht von liebevoller Zuwendung, Geduld und Empathie geprägt ist. «Kinder wollen aber wissen, woran sie sind, und haben keine Probleme, sich an Regeln zu halten. Ohne Abmachungen funktioniert es in einer Tagesfamilie nicht.» Wie alle anderen KiBiZ-Tagesmütter hat Stefanie vor ihrem Engagement bei KiBiZ die obligatorische fünftägige Grundausbildung absolviert, hinzu kommt ein jährlicher Weiterbildungskurs. «Das gibt neue Inputs und ist spannend. Ich profitierte schon viel», so ihr Fazit. Auch sonst können die Tagesfamilien auf den Support von KiBiZ als Arbeitgeberin und Anlaufstelle zählen. Diese vermittelt, führt Abklärungsgespräche, hilft bei Problemen, erstellt Verträge und bietet Gewähr, dass die Rahmenbedingungen stimmen, damit Kinder in den Familien gut aufgehoben sind. Auch die Vorstellungen und Erwartungen der abgebenden Eltern werden berücksichtigt. Sind ihnen Sauberkeit und Ordnung besonders wichtig? Kann die Tagesfamilie ein Haustier haben? Muss jemand eine Fremdsprache verstehen und wäre es in Ordnung, wenn die Tagesmutter raucht? Die Vorstellungen sind verschieden. Im Zentrum steht immer das Kindswohl.

 

Langweilig wird es bei den Ackermanns nie. Das garantiert allein schon die kinderfreundliche und naturnahe Umgebung, wo man sich gefahrlos austoben und die Gegend erkunden kann. Da wird viel draussen gespielt, auf dem Trampolin gehüpft, im Planschbecken gebadet, gebacken, gekocht, gesungen, am Tisch diskutiert oder einfach mal ein Spaziergang gemacht. Ein teures Actionprogramm mit Zoobesuch, Kletterhalle, Hüpfburg und dergleichen ist weder nötig noch wird dies von den Eltern erwartet. Stefanie will primär «für die Kinder da sein» und hat die Erfahrung gemacht, dass diese auch glücklich sind, wenn sie sich im Haushalt nützlich machen können: Rüebli rüsten, Salat waschen, Tisch decken, Wasser einschenken, Dessert verzieren usw. usf. Es gibt immer etwas zu tun. Man kann sich bestens vorstellen, dass Stefanie auch mit einem sechsten Kind klarkäme. Doch auch hier gibt es gesetzliche Rahmenbedingungen. Maximal fünf Kinder darf eine Tagesmutter bei adäquaten Platzverhältnissen pro Tag betreuen. «Da ich schon drei eigene habe, ist ein weiteres Kind also kein Thema. Und das ist auch gut so», findet sie.

 

Der kleine Nico ist jetzt satt und hat sich, vom angeregten Gespräch der beiden Frauen ungestört, einer zufriedenen Müdigkeit hingegeben. Er blinzelt nicht mehr, zuckt aber unkontrolliert mit den Fingerchen und geht wohl im Schlaf seinen süssen Träumen nach. Noch drei Wochen Mutterschaftsurlaub. Dann nimmt Mama Stefanie ihre Arbeit wieder auf. Und er darf dabei sein als kleinstes und jüngstes Mitglied einer vergnügten Tagesfamilie, in der immer etwas los ist.