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Festschrift «125 Jahre Untermüli»

ZUSAMMENARBEIT

Kobal Grafik (Gestaltung)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

30.6.2023

NACHHALTIG, GEMEINNüTZIG UND NICHT GEWINNORIENTIERT

 

Die neu gegründete Hans Voorgang-Stiftung sorgt dafür, dass die Untermüli auch weiterhin im Sinn und Geist des Stifters genutzt wird. Im Gespräch mit Stiftungsratspräsident Hans Rudolf Marti und Stiftungsrat Andreas Vogel.

 

Herr Marti, Sie waren 40 Jahre lang Produktionschef in der Orris Fettwerk AG. Wie haben Sie Herrn Voorgang, den langjährigen Besitzer der Fabrik, in Erinnerung?


Hans Rudolf Marti: Herr Voorgang war ein angenehmer Chef und ein umgänglicher Mensch. Er liess einen machen. Ich weiss, dass er streng erzogen wurde. Sein Vater Heinrich, der die Fettfabrik einst kaufte, hatte zeitlebens grossen Einfluss auf den Sohn. Der Nachteil davon war, dass sich Hans Voorgang als Chef der Fabrik nicht vollumfänglich entfalten konnte und nicht sehr entscheidungsfreudig und durchsetzungsstark war. Er musste viel Kritik von seinem Vater einstecken.


Andreas Vogel: Ich habe über meinen Vater viel von Hans Voorgang gehört, da er mit diesem befreundet war. Persönlich getroffen habe ich Hans Voorgang nur einmal. Trotz seiner Errungenschaften wirkte der langjährige Orris-Besitzer auf mich bescheiden und bodenständig.


Wie kam es zur Gründung der Stiftung?


Hans Rudolf Marti: Schon immer sprach Hans Voorgang davon, dass er einmal eine Stiftung gründen wolle. Als er dann hospitalisiert wurde und ahnte, dass er nicht mehr lange Leben würde, bekundete er im Testament seinen letzten Willen. Ein paar Tage später verstarb er.


Andreas Vogel: Vor allem für vermögende Erblasser, die – wie Herr Voorgang – keine Nachkommen haben, ist die Gründung einer Stiftung eine gute Option. So kann sichergestellt werden, dass die Verwendung des Erbes an einen bestimmten Zweck gebunden ist. An einen Zweck, den der Stifter zu Lebzeiten definiert. Genauso hat es Hans Voorgang gemacht.


Worin besteht der Zweck der Stiftung?

 

Hans Rudolf Marti: Die Stiftung bezweckt erstens die Erbringung von Unterstützungsleistungen zum Erhalt schutzwürdiger historischer Bauten und Bauwerke, in erster Linie denkmalgeschützter Industriebauten. Zweitens bezweckt sie das Zurverfügungstellen von günstigem Wohnraum und günstigen Räumlichkeiten für das Kleingewerbe. Als dritten Zweck nennt die Stiftungsurkunde die Unterstützung von Institutionen im Bereich Tierschutz, die sich für die Pflege herrenloser Haustiere und den Erhalt gefährdeter Tierarten engagieren.


Ist die Untermüli nun Teil des Stiftungsvermögens?

 

Hans Rudolf Marti: Noch gibt es letzte Modalitäten abzuwickeln. Aber ja, das Gebäude wird - ebenso wie der grosse Wohnblock an der Baarerstrasse 115 /117, zwei weitere Liegenschaften in Zürich sowie der gesamte Nachlass von Hans Voorgang – dereinst in die Stiftung überführt. In den nächsten Monaten sollte alles unter Dach und Fach sein.

 

Wie ist sichergestellt, dass der Stiftungszweck erfüllt wird?


Andreas Vogel: Jede Stiftung in der Schweiz – davon gibt es rund 14'000 – ist einer Stiftungsaufsicht unterstellt. Sie überprüft im Rahmen der Aufgabenteilung mit der Revisionsstelle die Geschäftsführung und Vermögensanlage der Stiftungen, verfügt wenn nötig korrigierende Massnahmen und fungiert als Beschwerdeinstanz. Kurz und gut: Die Stiftungsaufsicht kontrolliert, ob der Stiftungsrat mit seinem Handeln dem vom Stifter definierten Stiftungszweck nachkommt.


Dann müssen die Mieter der Untermüli und des Wohnblocks an der Baarerstrasse keine Angst haben, dass sie plötzlich ausziehen müssen, weil der im Stiftungszweck formulierte «günstige Wohnraum» nicht mehr zur Verfügung steht?


Hans Rudolf Marti: Wir sind verpflichtet, uns an den Stiftungszweck zu halten. Gleichzeitig ist es aber so, dass die Stiftung auch für den Unterhalt und die notwendigen Erneuerungen an den Bauten zuständig und verantwortlich ist. Hier gibt es Nachholbedarf, weil einige Sanierungen in der Vergangenheit verschoben wurden. Bei der Untermüli wurden Dach und Fassade bekanntlich schon saniert. Beim Wohnblock stehen diese Arbeiten aber noch an und es kommen einige Kosten auf uns zu. Zudem werden beide Gebäude an die Fernheizung der Energiezentrale Circulago angeschlossen.

 

Andreas Vogel: Damit wir handlungsfähig bleiben und gleichzeitig für eventuelle unvorhergesehene Renovationsarbeiten gerüstet sind, werden wir angemessene Reserven zu bilden haben. Dies bei gleichzeitig moderat gehaltenen Mieten. Das heisst, dass die Mieten auch weiterhin unter dem Durchschnitt liegen werden, der in Zug sonst verlangt wird. Kleinere Mietzinsanpassungen sind dennoch nicht ausgeschlossen. Letztlich wollen und müssen wir aber im Sinn und Geiste des Erblassers agieren. Das heisst, wir handeln nachhaltig, gemeinnützig und nicht gewinnorientiert.


Wie setzt sich der Stiftungsrat zusammen?


Hans Rudolf Marti: Nebst uns beiden sind noch Peter Villiger und Judith Müller im Rat. Peter Villiger ist ehemaliger Buchhalter der Orris und hat folglich einen persönlichen Bezug zur Untermüli. Judith Müller ist eine erfahrene Juristin und hat sich ebenfalls bereiterklärt, ihr Fachwissen in den Dienst der Stiftung zu stellen.

 

ZU DEN INTERVIEWPARTNERN

 

Andreas Vogel, Jg. 1983, in Zug geboren, hat «Business Innovation» an der Universität St. Gallen studiert und leitet dort das Masterprogramm in Informatik sowie die Sprachenservices. Er ist Mitglied des Stiftungsrats der Hans Voorgang–Stiftung.

 

Hans Rudolf Marti, 1937 in Hasle- Rüegsau im Emmental geboren, ist gelernter Käser. Von 1962 bis 2002 war er Produktionsleiter, bzw. später Betriebsleiter der Orris Fettwerk AG. Die Fabrik war 40 Jahre lang sein Arbeitsplatz. Er amtet als Präsident der Hans Voorgang–Stiftung.