PUBLIKATION

Denkmaljournal

ZUSAMMENARBEIT

Regine Giesecke (Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

28.3.2023

ITALIANITà, GRANDEZZA UND ZUGER SANDSTEIN

 

Das ehrwürdige Post- und Telegraphengebäude erstrahlt in neuem Glanz. Zentral bei der Sanierung waren das Fachwissen und die Erfahrung von denkmalaffinen Handwerkern und Restauratoren, welche die historischen Bauteile erneuerten. Zum Vorschein kamen auch einige Bausünden aus der Vergangenheit.

 

Wie so oft, wenn ein exponiertes, relevantes Gebäude im Stadtzentrum über längere Zeit leer steht, stellen sich Passanten Fragen: Wann kehrt wieder Leben ein? Wer zieht ein? Wird die neue Mieterschaft das Umfeld positiv beeinflussen, oder hat es die Eigentümerschaft einfach auf einen zuverlässigen Vertragspartner abgesehen, der im Stande ist, den Pachtzins zu zahlen?

 

Im Fall der ehemaligen Zuger Hauptpost, 1899 bis 1902 von Johann Landis nach den Plänen des Architekten Theodor Gohl gebaut, durfte die Bevölkerung lange spekulieren. Als nach dem anhaltenden Leerstand, der nach Schliessung des Postbetriebes 2015 nur kurz durch eine Zwischennutzung als Co-Working-Space unterbrochen wurde, das Geheimnis endlich gelüftet und bekannt wurde, dass die Bindella-Gruppe mit ihrem Restaurant Più im Erdgeschoss einziehen wird, ging eine Woge der Erleichterung, ja der Begeisterung durch die Stadt. Zum Glück! Also doch keine anonyme Anwaltskanzlei, sondern gelebte Italianità! Stadtregierung und Parlament schufen mit der Aufhebung von Parkplätzen die Voraussetzung, dass auch der gleichnamige Platz an erstklassiger Lage belebt werden kann.

 

Ein Hauch Italianità war auch spürbar, als das Zuger Bauforum im Frühling 2022 gemeinsam mit der Denkmalpflege nach vollendeter Sanierung der «Post» zu einer Führung einlud. Mit spritzigem Prosecco wurden die Besucher an der Bar empfangen und lauschten den Ausführungen von Nathalie Wey von der Zuger Denkmalpflege. Sie hatte das Sanierungsprojekt von Architekt Erich Leutwyler und Architektin Isabel Rüttimann begleitet. Im Zentrum der Führung stand aber nicht das kurz zuvor eröffnete trendige Bindella-Lokal, vielmehr richtete sich der Blick auf die denkmalrelevanten Elemente des Baus, namentlich die Natursteinfassade und das Treppenhaus. «Die Post liess das Gebäude 1995 unter Denkmalschutz stellen und war als Bauherrschaft gewillt, die historische Bausubstanz sorgsam restaurieren zu lassen und dafür zu sorgen, dass das Haus seinen repräsentativen Charakter zurückerhält», freut sich Wey. Für die im Stile der italienischen Renaissance erbaute Post habe man seinerzeit Sandstein aus den Brüchen von Lothenbach (Gemeindegebiet Zug), Bremen (Gubel Menzingen) und Unterägeri verwendet. Also Italianità gepaart mit Lokalkolorit.


«Alle Arbeiten und Interventionen, welche die schützenswerten Bauteile betrafen, wurden von denkmalaffinen Restauratoren und von mit traditionellen Techniken vertrauten Handwerkerinnen
und Handwerkern ausgeführt», betont Nathalie Wey, und man merkt, wie viel Freude ihr dieses Projekt bereitet hat. Das gilt auch für Architekt Leutwyler, der die Sanierung als eine Art Fortsetzung erlebte. Mit dem Postplatz beschäftigt er sich seit Jahren. Als Generalplaner realisierte er 2019 auch das benachbarte neue Büro- und Wohngebäude sowie die dazugehörige Tiefgarage. «Die Expertise von Nathalie Wey war wertvoll. Gemeinsam konnten wir die Bauherrschaft von unseren Vorstellungen einer denkmalgerechten Sanierung überzeugen.» Die Gesamtkosten für die Sanierung der Post belief sich auf knapp 10 Millionen Franken. Die Beteiligung von Kanton und Stadt Zug beträgt rund 1,1 Mio. Franken.

 

Als eine der aufwändigsten Arbeiten der Totalsanierung stellte sich die fachgerechte Restaurierung der Sandsteinfassade heraus. Sie wies deutlich grössere Schäden auf als ursprünglich angenommen. Und diese zeigten sich an diversen Stellen: an Fensterbänken, Balustraden, Kassetten, Konsolen, Kapitellen, an dekorativen Ornamenten in Blatt- und Muschelform und an formschönen Figurengruppen. Zudem war die Gesteinsoberfläche dunkel verfärbt und mit Moos und Flechten bedeckt. Nach einer sogenannten Schadenkartierung durch die Restauratoren Gerhard Roth und Josef Ineichen wurde die Fassade zuerst mit Wasser gereinigt. Danach haben Mitarbeitende der Firma J. & A. Kuster Steinbrüche AG stark sandende Bauteile mit einem speziellen Verfestigungsmittel behandelt, grosse Fehlstellen mit Mörtel aufmodelliert, Risse in Natur- und Kunststein mit Injektionen verschlossen, Fugen erneuert und einzelne Steine und Baluster wenn nötig herausgespitzt und durch neue ersetzt.

 

Zeitintensiv gestaltete sich auch die Sanierung des undichten Mansarddachs. Dieses wurde neu gedämmt und gedeckt. Allerdings hat man nicht die alten und teils beschädigten Eternitschindeln,

die das Dach die letzten Jahrzehnte deckten, ersetzt, sondern sich für die originären Naturschieferplatten bzw. Zinkblechschindeln für die Kuppel entschieden. Sie wurden für den
Ursprungsbau vor 120 Jahren verwendet. Die Rückbesinnung bei der Materialisierung und
Farbgebung auf das Ursprüngliche und Originale habe die Sanierung ohnehin stark geprägt,
betont Erich Leutwyler. Man analysierte, stieg in Archive und recherchierte, was früher war.

 

Dies war auch dringend nötig, denn nicht verschwiegen werden darf, dass vor allem im

Innern des Postgebäudes in der Vergangenheit unzählige Bausünden begangen wurden und der
Umgang mit der alten Bausubstanz nicht eben respektvoll war bzw. diese schlicht ignoriert und
teilweise vernichtet wurde. Da wurden Stuckaturen abgeschlagen, Rundbögen zugemauert,
unschöne Zwischengeschosse eingebaut, historische Türen und Naturholzfenster durch «moderne» Modelle ersetzt, Terrazzoböden entfernt bzw. mit «pflegeleichten», stark polierten Keramikplatten bedeckt oder durch Linoleum ersetzt – die entsprechende Fotodokumentation aus dem Jahre 2020 bietet einen Anblick des Grauens und schmerzt jeden normalen Bürger, der ein Minimum an Geschmack und Bewusstsein für Baukultur und (Architektur-)Geschichte mitbringt. Einzig in einer kleinen Abstellkammer (!) im Erdgeschoss waren die ursprüngliche Fassung der Decken und Wandoberflächen, die Stuckaturen und der Terrazzo noch erhalten. Der unscheinbare Nebenraum wurde damit zum wichtigen Zeitzeugen für die ursprüngliche Materialisierung.

 

Wie viel Freude kommt aber auf, wenn man das Treppenhaus heute betritt. Artfremde Materialien

sind keine mehr zu finden, Terrazzo und Stuck wurden instandgesetzt, ausgebessert oder
erneuert, andere Bauteile erfuhren eine sorgfältige Rekonstruktion oder moderne Neuinterpretation Der neue Lift ist diskret eingebaut, das formschöne in den Terrazzo integrierte Mosaikfries sticht als schönes Detail ins Auge. Entsprechend beeindruckt, bewegt sich nun auch die Gruppe des Zuger Bauforums im Innern des Hauses, erkundet eine Etage nach der anderen, erfreut sich am bauzeitlichen Treppengeländer aus Gusseisen, am hölzernen Handlauf und an den wohlproportionierten Treppenstufen aus Naturstein. Auf grosses Interesse stösst die geschmackvolle Tapete aus Calicot, ein spezielles Gewebe, das schon vor hundert Jahren traditionell für Stofftapeten verwendet wurde. Sie schmückte einst einige Wände des Treppenhauses, war aber – wo noch vorhanden – kaum mehr brauchbar und wurde ersetzt.

 

Apropos Ersatz. Das alte Telegraphentürmchen, das in frühen Zeiten den Abschluss der Dachkuppel bildete und im Laufe der Jahre zu Gunsten einer Natel-Antenne verschwand, soll rekonstruiert und wieder montiert werden. Die Pläne dafür sind bereits erstellt. Die Natel-Antenne, so die Idee, soll dann diskret im Türmchen verschwinden. Ein Revival erfuhren die sechs Löwenköpfe, die einst an allen Ecken des Daches prangten, in den 1960er Jahren aber verschwanden. Sie wurden – genau wie das Dach – aus Zinkblech rekonstruiert und im Sommer 2022 wieder am Dach montiert.

 

Nicht die Denkmalpflege war es übrigens, die diese Massnahme ins Spiel brachte, die Post
selber kam mit der Idee. Offensichtlich hat da ein Umdenken stattgefunden und ist sich die Eigentümerin (mittlerweile) bewusst, dass so ein historisches Gebäude an erstklassiger Lage nicht
einfach eine geldfressende Altlast ist, sondern eine erhaltenswerte Immobilie, die – in rehabilitiertem Zustand – einen unschätzbaren kulturellen Wert hat und schlicht Freude bereitet.

 

Involvierte Firmen: Isabel Rüttimann Architekten GmbH, Zug; Leutwyler Partner Architekten AG, Zug; J. & A. Kuster Steinbrüche AG Bäch, Freienbach; Martin Hüppi, Restaurator SKR, Luzern; Knöchel + Pungitore AG, Luzern; Hug Schleif- und Bodenbelagstechnik GmbH, Eschenbach;
Involvierte Amt für Denkmalpflege und Archäologie: Nathalie Wey (Baubegleitung)

 

Das Denkmal in Kürze


Das Postgebäude in Zug ist 1899–1902 nach den Plänen des Architekten Theodor Gohl erbaut worden. Die Ausführung des mächtigen Baus an prominenter Lage oblag dem Zuger Baumeister Johann Landis. Das im Stil der italienischen Renaissance erbaute Gebäude repräsentiert vortrefflich die Wichtigkeit der damaligen Institution Bundespost. Das Erdgeschoss ist aus Granit ausgeführt, die Fassade der beiden Obergeschosse aus Sandstein. Architekt Gohl hat auch die Entwürfe für die Postgebäude von Glarus, Herisau, Frauenfeld, Chur und jene am Bahnhof Basel realisiert. Eigentümerin des ehemaligen Zuger Postgebäudes ist die Post Immobilien AG.