PUBLIKATION

Personalzeitung Kanton Zug

ZUSAMMENARBEIT

Nora Nussbaumer (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.10.2021

KOMPLIZE UND KOMPLIZIN

 

Priska Müller und Martin Ziegler leiten gemeinsam das Amt für Wald und Wild (AFW) und leben mit diesem Jobsharing das Thema Gleichstellung auf Kaderstufe vor. Das Modell hat seine Tücken, aber auch handfeste Vorteile.

 

«Verantwortung kann man nicht teilen» – Priska Müller zitiert den Satz gleich zu Beginn des Gesprächs und widerspricht. «Das stimmt einfach nicht. Genau das Gegenteil ist der Fall: Verantwortung kann und soll man teilen», so Müller. «Eltern machen das genauso.» Die zielstrebige Amtschefin muss es wissen. Seit Juni 2019 leitet sie zusammen mit ihrem Kollegen Martin Ziegler das Amt für Wald und Wild. Sie teilen die Führung ehr- und redlich – zu je 50%. Auch Ziegler ist vom Modell überzeugt. «Entscheidend ist, dass es auf Freiwilligkeit beruht», sagt er. «Wird man zu einer beruflichen Zwangsheirat verknurrt, ist das Modell zum Scheitern verurteilt.» Müller und Ziegler haben sich gemeinsam um die Amtsleitung beworben und den gesamten Bewerbungsprozess zusammen durchlaufen. «Gegenüber dem Regierungsrat haben wir von Anfang an deutlich gemacht: entweder wir beide, oder keiner/keine von uns», betont das Duo. Diese Strategie hat sie zusam mengeschweisst und letztlich auch den – anfangs durchaus skeptischen – Regierungsrat überzeugt.


Dabei war es gar keine «gleichstellungsspezifische» Motivation, die die beiden auf die Idee gebracht hat, sich im Doppelpack zu bewerben. Vielmehr sahen und sehen sie darin für sich und die Organisation handfeste organisatorische Vorteile. Ziegler begrüsst es, auf Chefstufe eine «Sparringpartnerin» zu haben, mit der er sich im Zweifelsfall über anspruchsvolle oder heikle Themen, beispielsweise Personalgeschäfte, absprechen kann. «Solo-Amtsleiter sind da manchmal sehr einsam und besprechen Personalprobleme gegebenenfalls mit auserwählten Mitarbeitern, was personalrechtlich heikel ist», so Ziegler. Müller wiederum schätzt es, dass man sich gegenseitig optimal vertreten kann und Gewissheit hat, «dass der Laden läuft», auch wenn sie nicht vor Ort sei. Insofern entpuppte sich das Modell für beide Kaderleute auch als familienfreundlich. Ziegler, dreifacher Familienvater, bestreitet neben dem 50%-Co-Leitungs-Pensum weitere 50% als Abteilungsleiter im Amt – seine Frau arbeitet 60%. Müller, zweifache Mutter, arbeitet ergänzend zum 50%-Co- Leitungspensum 10% als Projektleiterin im Amt – ihr Mann arbeitet 80%.

 

Der Vorteil ist, dass innerhalb des Amtes die Themen klar einer Person zugeordnet werden können. Ziegler ist für die Bereiche Wald und Naturgefahren verantwortlich, Müller für die Jagd und Fischerei. Gibt es ein Dossier, das beide Themenbereiche gleichermassen betrifft, wird zuerst definiert, bei wem die Federführung liegt. «Doppelspurigkeiten können wir uns nicht leisten. Dass beide gleichzeitig an Sitzungen teilnehmen, kommt darum kaum vor. Dafür fehlt uns schlicht die Zeit», heisst es. Ausnahmen bestätigen die Regel: Als im Oberägerer Gutschwald Massnahmen
ergriffen werden mussten, um dem sensiblen Auerhahn störungsfreie Zonen zu ermöglichen und Besucherströme entsprechend zu lenken, packte das Duo die Sache gemeinsam an. Wild- und waldspezifisches Wissen waren gleichermassen gefragt und der gemeinsame Aufritt unterstrich die Relevanz, die man dem Thema beimass.

 

Auch für externe Akteure wie Verbände, Vertreter von Bund und Gemeinden gibt es keine Zweifel, wer die zuständige Ansprechperson ist. «Gegeneinander ausspielen lassen wir uns sowieso nicht, weder von Mitarbeitenden noch von Externen», betont Ziegler und Müller vergleicht wieder mit der Elternschaft. «Auch Kinder müssen wissen, dass Mama und Papa am gleichen Strick ziehen, sonst wird man schnell zum Spielball.» Und welche Voraussetzungen müssen sonst noch erfüllt sein, damit eine Co-Leitung funktioniert? Die Jobsharer antworten synchron: Gegenseitige Sympathie, Rücksichtnahme und ein absolut intaktes Vertrauensverhältnis. Menschen mit starkem Geltungsdrang und übermässigen Ambitionen eignen sich kaum für ein Führungs-Tandem. «Man muss sich auch mal zurücknehmen und anpassen können», so Ziegler. «Ideal ist, wenn man mit einer ähnlichen Grundhaltung an die Themen herangeht», ergänzt Müller und betont, dass sie beide ein sehr hohes Dienstleistungsverständnis hätten und viel Wert auf Kundenfreundlichkeit legten.


Diese positive Grundeinstellung färbt auf das gesamte Team ab, das sich Tag für Tag mit anspruchsvollen Themen und ebensolchen Bedarfsgruppen befasst. «Als Amt können wir nicht alle Anliegen von Jägern, Fischern oder Waldbesitzern berücksichtigen. Aber es gibt viele gemeinsame Interessen. Und hier setzen wir an. Grundsätzlich suchen wir nach dem Verbindenden, nicht nach dem Trennenden. Auf Konfrontation gehen wir nur, wenn zwingend nötig und bei klarer Rechtslage», bilanzieren die beiden.


Dies entspricht auch der Strategie von Direktionsvorsteher Andreas Hostettler. A propos: Was sagt der oberste Chef zur Co-Leitung in seiner Direktion? «Es ist kein Geheimnis, dass ich diesem Modell – nicht den Personen! – zuerst skeptisch gegen gegenüberstand. Doch ich habe meine Meinung revidiert. Stimmen die Rahmenbedingungen, und das ist beim AFW der Fall, funktioniert

es sogar sehr gut; dank guter Absprache und Kommunikation.» Seine Regierungsratskollegen kann Hostettler nur ermuntern, offen für dynamische und moderne Anstellungsverhältnisse zu sein und auch mal etwas auszuprobieren. «Für einen Erfahrungsaustausch stehe ich gerne zur Verfügung.»


Zurück zum Führungsduo. Jetzt mal ehrlich: Wer von beiden war denn nun die treibende
Kraft und gab die Initialzündung für dieses Personalexperiment, das sich seit zwei Jahren so gut bewährt? Priska Müller und Martin Ziegler schmunzeln verheissungsvoll. Die Verbündeten schweigen. Oder muss man von Komplizen sprechen?


ENDE LAUFTEXT

 

Priska Müller (38) und Martin Ziegler (45) sind seit 1. Juni 2019 in der Co-Leitung des AFW. Beide waren schon zuvor in führender Funktion im Amt tätig: Müller leitet seit 2012 die Abteilung Fischerei und Jagd. Ziegler leitet die Abteilung Schutzwald, Biodiversität und Naturgefahren. Priska Müller hat Umweltnaturwissenschaften an der ETH Zürich studiert und breites Wissen in den Bereichen Wildtiermanagement, Jagd und Fischerei.


Martin Ziegler ist gelernter Förster HF. Beide haben einen Hochschulabschluss in Führung und Management. Die Freizeit verbringen sie in der Natur und mit der Familie. Priska Müller, wohnhaft in Kriens, ist Mutter von zwei Kindern im Alter von 3 und 5 Jahren. Martin Ziegler, wohnhaft in Arth, ist Vater von drei Kindern im Alter von 8, 17 und 19 Jahren.