PUBLIKATION

Stadt Zug

ZUSAMMENARBEIT

Ueli Kleeb (Konzeption und Fotos)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.6.2008

ONLINEPLATTFORM üBER BRAUCHTUM

 

Im Auftrag der Stadt Zug und in Zusammenarbeit mit Ueli Kleeb realisierte ich eine Online-Plattform über das Zuger Brauchtum. Darin erfährt man den Ursprung und die Entstehungsgeschichte von rund 30 populären Zuger Bräuchen, wie sie sich im Laufe der Jahre entwickelt haben und wie sie heute gelebt werden. Zusammen mit historischem und aktuellem Fotomaterial sind die Texte auf der Webseite der Stadt Zug aufgeschaltet.

 

Mit der Plattform wollte man nicht nur für Einheimische eine Übersicht zum vielfältigen Brauchtum liefern, sondern auch die internationale Bevölkerung ansprechen. Viele Zugezogene sind am lokalen Brauchtum interessiert und wollen mehr darüber erfahren. Die Webseite leistet diesen Dienst in übersichtlicher und verständlicher Form.

 

Brauchen wir Bräuche? Eine paar Gedanken - zu diesem Projekt.

 

Was haben Chrööpfelimee, Chriesimärt und Chesslete, Märlisunntig und Michaelstag, Frauenthaler Lebkuchen und Zuger Rötel gemein? Die Begriffe stehen alle für Tradition, für Stadtzuger Tradition, die seit Jahren gepflegt wird. Alteingesessenene geraten ins Schwärmen, sobald diese Stichworte fallen, Neuzuzüger mögen die Stirn runzeln. Chnüüsockäbödäli? Was heisst das überhaupt? Woher kommt dieser Begriff, und welchen Inhalt vermittelt er als Brauch? Obige Liste enthält eine Bestandesaufnahme von der Vielfalt des Stadtzuger Brauchtums, wie es heute gelebt wird.

 

Dabei stellen sich schon mal Fragen: Was ist überhaupt ein Brauch? Wie alt muss ein Brauch sein? Wann ist ein Brauch ein Brauch, und wann nur ein jährlich stattfindender Event? Wo fliesst die Grenze zwischen Folklore und Kommerz? Der Fremdenverkehr und die Kulturindustrie haben die ökonomische Verwertbarkeit von Bräuchen erkannt und viele bestehende Bräuche nach folkloristischen und kommerziellen Kriterien umgeformt und populär gemacht.

 

Im Duden wird der Brauch mit einer «innerhalb einer Gemeinschaft festgewordenen und in bestimmten Formen ausgebildeten Gewohnheit» ziemlich breit definiert. Umsobesser! Schliesst er doch die katholische Wallfahrt nach Einsiedeln genauso ein wie den bäuerlichen Stierenmarkt, das historisch begründete Läuten der Friedensglocke am Kapuzinerturm genauso wie das alljährliche Läuten der Chriesigloggä als Startsignal zur Chriesiernte.

 

Bräuche, dies zeigte die Recherche deutlich, stiften Identität, grenzen aber auch aus. Am Räbeliechtliumzug sind alle Kinder willkommen, doch nicht jeder wird im auf das 15. Jahrhundert zurückgehenden GAUR (Grosser, Allmächtiger und Unüberwindlicher Rat) zum Ritter geschlagen. Für beide Bräuche jedoch gilt: Wären nicht engagierte Menschen um dessen Fortführung besorgt, gäbe es sie nicht.

 

«Unter den Talaren, der Muff von tausend Jahren», lautete die Parole der 68er Bewegung. Die Aufmüpfigen von damals verachteten Traditionen und Bräuche als Müll der Vergangenheit und werteten sie als Inbegriff einer in Konventionen erstarrten Gesellschaft. Doch seit einiger Zeit lässt sich europaweit der Trend zu einer Rückbesinnung auf Brauchtum feststellen, was eine Sehnsucht nach kollektiven Ritualen und Heimat stiftenden Traditionen im Zuge der Globalisierung offenbart und die Frage «Brauchen wir Bräuche?» eindeutig beantworten lässt: Ja!