PUBLIKATION

Kundenmagazin der Schweizer Post

ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

5.4.2011

«IN BIN EIN POSTKARTEN­SCHREIBER»

 

Dass ausgerechnet ein Künstler, der für seine raumfüllenden Installationen bekannt ist, eine kleine Briefmarke gestaltet, mag erstaunen. Im Gespräch mit Thomas Hirschhorn wird aber klar: ins Kleinformatige steckt der international bekannte Künstler genauso viel Leidenschaft wie in seine grossen Werke.

 

Herr Hirschhorn, seit 1984 wohnen Sie in Paris und frankieren allfällige Briefpost mit französischen Marken. Welches Verhältnis pflegen Sie zur Schweizer Briefmarke?
Schweizer Marken brauche ich in der Tat selten. Dafür die französischen, roten Dauermarken für sämtliche Briefpost, inklusive der brieflichen Stimmabgabe für die Schweiz! Zudem bin ich ein Postkartenschreiber. Einem Kreis von einem dutzend Freunden schicke ich regelmässig Kartengrüsse, wenn ich für meine Ausstellungen ins Ausland reise. Es macht Freude, dieser Person mitzuteilen, dass ich an einem bestimmten Ort, in einem bestimmten Moment an sie gedacht habe.

 

Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Anfrage kam, eine Briefmarke für die Schweizer Post zu gestalten?
Ich habe mich gefreut! Denn eine Marke ist eine populäre Plattform. Jeder kennt Briefmarken, jeder benutzt sie. Mit meiner Marke, von der nun 1 Million Exemplare gedruckt werden, kann ich ein breites, nicht-exklusives Publikum auf der ganzen Welt erreichen, auch Leute, die meine Arbeit nicht kennen, oder die sich nicht für Kunst interessieren. Das gefällt mir. Allerdings ist das Format schon verdammt klein. Darum habe ich mich entschieden, es ausschliesslich als Träger einer geschriebenen Botschaft zu benutzen.

 

Bei Ihnen lautet diese «Art is resistance». Auf dem Umschlag des Markenbogens steht zusätzlich mit Kugelschreiber: I LOVE Art and Art LOVES me! Warum diese Liebeserklärung?
Das Herz-Logo „ I LOVE“ ist universell, einfach, klar und positiv. Es wird für alles Mögliche und Unmögliche benutzt. Überall auf der Welt gibt es Selbstkleber, Badetücher oder Teetassen mit den Statements „I LOVE“. Sie gehen vom Partikulären und Individuellen «I», also vom «Ich» aus, zielen aber gleichzeitig auf eine Stellungnahme des Gegenübers: «Und was liebst Du? Und wofür stehst Du ein?»

 

Dass Sie die Kunst lieben, ist nachvollziehbar. Wie aber ist es möglich, dass die Kunst als Form des Ausdrucks Sie liebt?
Es gibt eine wunderbare Aktion und einen Film von Joseph Beuys, die den Titel tragen: «I love America and America loves me.» Meine Botschaft lehnt sich daran an. Es geht darum, zu behaupten, dass ich mich von der Kunst lieben lasse. Als Künstler muss ich dazu bereit sein. Genauso, wie ich bereit sein muss, für meine Arbeit als erster zu bezahlen.

 

Wie meinen Sie das?
Es bedeutet bereit zu sein, für meine Arbeit unbedingt den Kopf hinzuhalten, die ungerechteste Kritik einzukassieren ohne wehleidig zu sein und die dümmste Falschauslegung hinzunehmen ohne zu klagen. Warum? Weil ich als Künstler die Macht habe, meine eigene Arbeit zu machen!

 

Sie haben erwähnt, dass es Sie störe, wenn nun gesagt wird, Sie würden die Schweiz an der Biennale in Venedig vertreten. Warum?
Weil das so klingt, als würde ich mit meiner Ausstellung im Schweizer Pavillon die Schweiz ausnahmsweise offiziell und erstmalig «vertreten». Aber das stimmt so nicht. Denn wenn ich schon etwas «vertreten" muss, vertrete ich meine Arbeit. Und ich vertrete meinen Begriff der Kunst! Oder dann, wenn Sie wollen, «vertrete» oder «vertrat» ich die Schweiz mit jeder meiner noch so kleinen Ausstellung. Immer und überall. Denn ich bin Schweizer.