PUBLIKATION

Zuger Neujahrsblatt

ZUSAMMENARBEIT

Fotos (Andreas Busslinger)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

21.11.2023

TSCHüSS BRAUNVIEH - WELCOME GALLOWAY!

 

Landwirt Christian Horat (55) hat auf dem Klosterhof in Zug Jahrzehnte lang Milchwirtschaft betrieben. Vor zwei Jahren verkaufte er sämtliche Kühe und schaffte sich schottische Galloway-Rinder an. Die kurzbeinigen Tiere mit dem zotteligen Fell sind pflegeleicht, günstig im Unterhalt und liefern zartes, feinfaseriges Fleisch.

 

Wir sitzen an Ihrem Küchentisch im Mehrfamilienhaus auf dem Klosterhof. Sie machen gerade eine kurze Kaffeepause. Was hat Sie bewogen, den radikalen Wechsel von Milchkühen auf Galloway- Rinder zu vollziehen?

 

Der tiefe Milchpreis. Ich war immer leidenschaftlicher  Milchbauer, und mein Plan war, bis zur Pensionierung zu melken. Aber als ich für einen Liter Milch gerade noch zwischen 50 und 55 Rappen erhielt, war klar, dass es so nicht weitergehen kann. Hätte ich nicht nur 20, sondern 40 oder 50 Kühe  haben können, hätten sich die Kosten anders verteilt. Aber für so viele Tiere fehlt auf unserem Hof der Platz. Also verkaufte ich 2021 den gesamten Bestand an Zuchtkühen an Bauern aus der Umgebung.

 

Mit welchem Preisschild?

 

Im Schnitt erhielt ich für ein Tier 3500 Franken. Grundsätzlich gilt: Je früher eine Kuh wieder zum Kalben parat ist, desto höher ist der Verkaufspreis. Jene, die ich nicht verkaufte, mästete ich und liess ich schlachten. Innert zwei Tagen war der Stall leer.

 

Ein Anblick, der mit Wehmut verbunden war?

 

Absolut. Das war einschneidend. Melken war immer Bestandteil meines Lebens, eine Leidenschaft.  Aber ich habe den Wechsel sorgfältig geplant. Vor Jahren besichtigte ich mit der Viehzuchtgenossenschaft  einen Betrieb im Glarnerland. Die Landwirtin dort hatte unter anderem vier Galloways. Ich sah die und sagte mir schon damals: Wenn ich mal umstelle, dann auf Galloways. Die sind weniger aufwändig und günstig im Unterhalt. Für die musst du kein Kraftfutter – also industriell hergestellte Getreidemischungen – und keinen Mais kaufen. Galloways sind mit Gras, Heu, Silo, Salz und Mineralstoffen zufrieden.

 

Als Halter dürfte Sie auch der Charakter der Tiere interessiert haben.

 

Allerdings, entsprechend intensiv recherchierte ich im Internet. Ich staunte, was da über den Charakter der Galloways zu lesen war. Die Kommentare reichten von «sehr friedlich» bis «katastrophal». Gemäss Zuchtverband sind Galloways friedfertig, genügsam, widerstandsfähig und langlebig – und bei rassengerechter Haltung auch wirtschaftlich. Im Internet machte ich schliesslich einen Züchter aus dem «Züribiet» ausfindig, der seinen Tierbestand abbauen wollte. Ich ging vorbei, schaute mir die Rinder an und kaufte 14 Stück. Da diese Rinder alle vom gleichen Hof kamen, war die Rangordnung in der Herde bereits klar. Ein Problem gab es dennoch: Weil der vormalige Besitzer die Tiere in einem Stall ohne Liegeboxen hielt und die Rinder sozusagen «freie Platzwahl» hatten, waren sie etwas verwöhnt.

 

Sozusagen schlecht erzogen?

 

Na ja, sie waren sich ein anderes Setting gewöhnt. Wir haben Boxen im Stall, wo sie sich hinlegen müssen. Und diese Umstellung war für die Tiere schwierig. Um ehrlich zu sein: Es war sogar sehr mühsam,  bis sie dies endlich kapierten. Zusätzlich zu den 14 Stück aus Zürich kaufte ich später noch zwei aus dem Toggenburg und zwei aus dem Aargau. Zusammen mit den Jungen, die zwischenzeitlich geboren wurden, habe ich nun 31 Tiere.

 

Wie ist der Nachwuchs sichergestellt?

 

Während zweier Monate im Jahr miete ich einen Muni. Sobald er die brünstigen Kühe gedeckt hat,  geht er wieder. Diese Blutauffrischung von aussen ist wichtig, sonst gibt es Inzucht und Erbkrankheiten. Die Deckung mit dem Muni funktioniert eigentlich gut. Wenn eine Kuh einmal nicht trächtig wird, kommt der Tierarzt und macht eine künstliche Besamung für rund 100 Franken. Doch auch hier gibt es keine Erfolgsgarantie. Die «KB» ist sogar weniger sicher als der Natursprung mit dem Muni. Denn das Sperma im Röhrchen ist stark verdünnt und entsprechend schwimmen da nicht so viele lebendige Spermien herum. Oft braucht es mit «KB» bei den Galloways mehrere Versuche.

 

Ihre Galloways sieht man häufig draussen. Beruht das auf Goodwill Ihrerseits oder ist es eine   Vorschrift von Behörden?

 

Je öfter die Tiere draussen sind, desto mehr Weidebeiträge erhält man vom Bund. Dies muss man   aber nachweisen. Es wird auch genau vorgeschrieben, wie viel Fläche pro Tier zur Verfügung stehen muss. Für meine rund 30 Galloway-Rinder muss ich 6 Hektaren Weidefläche vorweisen. Und während der Vegetationszeit – also zwischen April und September – müssen die Tiere pro Monat 26 Tage draussen sein. Wenn es mal über längere Zeit stark regnet, darf ich die Tiere jedoch im Laufstall behalten, damit sie mir nicht die Weide zertrampeln. Vorschrift ist auch, dass die Rinder 70 Prozent der Nahrung von der Weide fressen müssen; gut für die Rinder und gut für mich, denn ich muss das Gras nicht mähen. Ein weiterer Vorteil: Mit den Galloway-Rindern bin ich nicht wie bei den Milchkühen an Melkzeiten gebunden. Ich habe mehr Flexibilität, wenn es – je nach Saison – Kirschen, Zwetschgen oder Obst zu ernten gibt.

 

Wann sind die Rinder schlachtreif ?

 

Relativ spät, mit rund zwei Jahren. Dadurch verursachen sie eine lange Kapitalbindung. Aber es macht Sinn! Denn weil sie nicht mit Kraftfutter vollgepumpt  werden, sondern von der Wiese fressen, legen sie nur langsam an Gewicht zu und lagern nur langsam Fett ein. Dabei handelt es sich um ungesättigte Fettsäuren. Das Fleisch ist gesund und senkt sogar den Cholesterinspiegel. Geschlachtet werden unsere Tiere in der Schlachtanlage Walterswil. Dort kommt das Fleisch  in den Kühler und wird rund vier Wochen gelagert. Den für uns zuständigen Metzger instruieren wir, wie wir das Fleisch geschnitten und abgepackt haben wollen. Es ist wichtig, dass wir da genaue Vorgaben machen. Denn wir wissen, was die Kunden wollen.

 

Was wollen denn die Kunden?

 

Braten und Siedfleisch sind weniger gefragt, sehr gut verkaufen sich Steaks, Filet, Plätzli, Voressen  oder Gehacktes. Auch Wurstwaren und Hamburger  kommen gut an. Den gesamten Verkauf wickeln wir  über unseren Hofladen ab. Entsprechend hoch ist die Wertschöpfung.

 

Läuft das Geschäft?

 

Wir klagen nicht. Galloway-Fleisch geniesst einen guten Ruf. Es ist zart, gut marmoriert und hat einen kräftigen Geschmack. Aber wir würden gerne noch mehr verkaufen und werden unsere Produkte künftig noch stärker bewerben. Immer, wenn wir Frischfleisch haben, stellen wir eine Tafel an die Strasse und die Leute kommen direkt in den Laden.

 

Das Braunvieh vermissen Sie nicht?

 

Doch, ein wenig schon. Aber die Umstellung auf Galloways war für unseren Betrieb ein guter Entscheid.  Die Herde ist nun komplett und die Rinder bringen jedes Jahr ein Kalb zur Welt. Durch   das geringe Geburtsgewicht – die Kälber wiegen  nur rund 30 Kilogramm – verlaufen die Geburten, ob  in freier Natur oder im Stall, unproblematisch. Nur einmal musste ich bei der Geburt helfen, und ein anderes Mal liess eine Kuh ihr Junges nicht saugen, stiess es weg und verweigerte sich. Es ist gut möglich, dass sich das Kalb nach der Geburt zu schnell von der Mutter entfernte, die Kuh den mütterlichen Instinkt nicht aktivieren konnte und so der Bindungsprozess gestört wurde. Wie auch immer: Für die Mutter war es die erste Geburt. Da kann es vorkommen, dass sie überfordert ist. Ich denke, beim zweiten Mal klappt es besser.