PUBLIKATION

EKZ Magazin

ZUSAMMENARBEIT

Dominic Büttner (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2006

LEUCHTENDE BAUTEN

 

Immer mehr Bauwerke präsentieren sich auch in der Nacht von der hellen Seite. Mit durchdachten Beleuchtungskonzepten erstrahlen Liegenschaften stimmungs- und effektvoll.

 

«Architektur heisst nicht bauen, sondern gestalten mit Licht und Schatten.» Shigeru Ban, Japans berühmtester Architekt der Gegenwart, weiss um die Bedeutung des Lichts im öffentlichen Raum und Luzius Huber, Beleuchtungsspezialist der Zürcher Firma Huber und Steiger gibt ihm Recht. Während Licht früher ausschliesslich unter dem Aspekt der Verkehrssicherheit eine Rolle spielte und als Orientierungshilfe im Dunkeln wahrgenommen wurde, kommt ihm eine immer grössere gestalterische Bedeutung zu. «Licht kann ein Ortsbild enorm aufwerten», ist Huber überzeugt.

 

Städte, die etwas auf sich halten, orientieren sich heute an eigens konzipierten Beleuchtungsleitbildern, so genannten plans lumières, die zum Ziel haben, aufgrund städtebaulicher Analysen eine durchkomponierte Lichtstimmung zu kreieren. Auch bei den Baudirektionen der Kantone geniessst die Lichtgestaltung im öffentlichen Raum immer mehr Aufmerksamkeit. «Der Einbezug vom Lichtdesign als Gestaltungsmittel für die Gebäudehülle wird immer wichtiger», bestätigt Philippe Hauenstein von der Baudirektion des Kantons Zürich und verweist auf zahlreiche Häuser, Kirchen, Pärke, Brücken und Plätze, die nachts erstrahlen, wobei er sofort auch auf die Gefahr von Lichtverschmutzung aufmerksam macht. Denn in einem Punkt herrscht bei Planern, Architekten und Politikern Einigkeit: Es braucht nicht mehr Licht, sondern subtiler eingesetztes Licht mit sparsameren Leuchtmitteln.

 

Beispiele für den gelungenen Einsatz von Lichtgestaltung gibt es schon einige: Das spektakuläre neue Fussballstadion von Herzog & de Meuron in München leuchtet je nach Anlass in unterschiedlichen Farben. Das weit herum sichtbare Mobimo-Hochhaus in Zürich-West, der nach seinem Hauptmieter so genannte «Bluewin-Tower», setzt einen markanten Lichtpunkt im Quartier. Der Bürokomplex «Light Cube» in Opfikon sorgt für eine nächtliche Attraktion und haucht dem grossflächigen Entwicklungsgebiet nachts ein bisschen Leben ein. Das 1,2 Kilometer lange Hardturm-Viadukt ist mit LED-Technik illuminiert und macht so die Wege der Umgebung nachts sicher und attraktiv. Ein Beispiel für besonders effiziente und schöne Lichtgestaltung ist die Fussgängerbrücke zwischen Biberbrugg und Einsiedeln, die von den EKZ mit LED-Technik ausgestattet wurde und nun Spätkeimkehrer erfreut. 

 

In technischer Hinsicht ist Aufbruch spürbar. Luzius Huber und seine Mitarbeiter stecken mitten in der Entwicklung eines neuen Beleuchtungsverfahrens, dass die Aussenbeleuchtung revolutioniert. Es funktioniert mittels Projektion, das Lichtverteilmasken an die Fassade projiziert. Im  Gegensatz zu herkömmlichen Flutlichtern kann das Licht auf die Architektur des Gebäudes abgestimmt werden, strahlt nicht unkontrolliert gegen den Himmel und verfügt über einen geringen Streulichtverlust. Da die Projektoren eine präzisere und somit sparsamere Lichtverteilung ermöglichen, bietet die Technik sogar ein erhebliches Energiesparpotential. Bis ins Jahr 2007 soll nun in Zürich, Basel und Luzern je ein Objekt als Pilotanlage in Betrieb genommen werden.

 

Unterstützt und fachmännisch begleitet wird Hubers Entwicklung von Umweltingenieur René Kobler. Der Vizepräsident der Organisation Dark-Sky, die sich für den Schutz des nächtlichen Himmels engagiert, setzt sich bei Behörden und Firmen für bessere, schonende Beleuchtungskonzepte ein. «Gute Lampen leuchten nach unten, schlechte Lampen leuchten überallhin, auch in den Himmel.», sagt Kobler. So aber produziere man nur «Licht-Abfall», was sich auf zahlreiche Tier- und Pflanzenarten störend auswirke. Untersuchungen haben gezeigt: Eine übermässige künstliche Beleuchtung bringt Zugvögel von ihrer Flugroute ab, da sie das Licht der Lampen mit jenem der Sterne verwechseln. Vor einer unkontrollierten Lichtaufrüstung warnt auch Lichtingenieur Luzius Huber: «Weniger ist manchmal mehr. Denn Licht kommt letztlich nur im Dunkeln zu Geltung.»

 

Eine zurückhaltende nächtliche Beleuchtung zahlt sich zudem aus: Diese Erfahrung haben die SBB gemacht. Die Ankündigung des Unternehmens, sämtliche Regionalbahnhöfe mit einer nachts leuchtenden Stele auszustatten, hatte eine Intervention des Bundesamtes für Wald und Landschaft und von Dark-Sky zur Folge. Die von unten her angeleuchtet Säule strahlte zu viel Licht in den Himmel ab. Daraufhin wurde die Vorrichtung optimiert und die Wattleistung der Strahler deutlich reduziert. Die Abstrahlung im oberen Halbraum der Stele wurde damit um 57 Prozent und der Energieverbrauch um über 50 Prozent gesenkt. Die SBB sparen nun jährlich Energiekosten von über 100 000 Franken.

 

Dass sich Licht grundsätzlich positiv auf unser Wohlbefinden und Gemütszustand auswirkt, ist eine Tatsache, die Forscher auf die Idee brachte, Licht auch als Therapiemittel einzusetzen. Es gehe darum, so die Chronobiologin Anna Wirz, die an der psychiatrischen Universitätsklinik in Basel die saisonal abhängige Depression (SAD) erforscht, die Tage in den lichtarmen Monaten mit zusätzlichem Licht künstlich zu verlängern. Patienten werden täglich während einer Stunde einem hellen Licht (mehr als 2500 Lux) ausgesetzt. Dabei kann man lesen, frühstücken oder sonst einer Tätigkeit nachgehen. Und trotz der simplen Anwendung haben sich laut Studien schon erstaunliche Erfolge gezeigt: Bei 70 Prozent der Patienten verschwanden die Symptome schon nach wenigen Tagen.

 

Noch besser ist es, das Tageslicht zu lutzen. Denn selbst an einem bedeckten Wintertrag herrscht morgens draussen eine Lichtstärke von 1000 bis 3000 Lux. Die kann sich bei Schönwetter steigern bis 12 000 Lux. Es leuchtet ein, dass als profanes Mittel gegen den Winterblues auch Forschern und Mediziner empfehlen: ab in die Höhe! Auf einer Schneepiste beträgt die Lichtstärke tagsüber bis 100 000 Lux.

 

Box

 

Mit der Lichtgestaltung im öffentlichen Raum ist eine Chance für eine qualifizierte Aufwertung der Ortsbilder verbunden. Gleichzeitig gilt es, unnötige Lichtemissionen zu vermeiden. Das Bundesamt für Umwelt gibt Denkanstösse, wie sich diese Emissionen ohne Abstriche bei Komfort und Sicherheit vermeiden lassen.

- Lichtemissionen in den natürlichen Raum (Wald, Wiesen) sind zu vermeiden, exzessive Beleuchtungen wie Skybeamer einzuschränken.
- Leuchtkörper mit einer Abschirmung einsetzen, die das Licht nur in die gewünschte Richtung leitet
- Beleuchtung soll grundsätzlich vom oben nach unten ausgerichtet sein, damit Lichtabfall vermieden wird
- Begrenzung der Lichtemission im Nachruhefenster (wie beim Lärmschutz) zwischen 22 Uhr und 6 Uhr schützt Flora und Fauna
- Überraschend aufflammende Lichtstrahlen können vor allem für Verkehrsteilnehmer Störfaktor und Gefahrenquelle sein