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Jahresbericht 2011 GVRZ

ZUSAMMENARBEIT

Gabi Vogt (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2012

«ABWASSERENTSORGUNG MUSS MAN GESAMTHEITLICH BETRACHTEN»

 

Mit einem übergeordneten Entwässerungsplan möchte der Gewässerschutzverband der Region Zugersee-Küssnachtersee-Ägerisee (GVRZ) Fachwissen bündeln. GVRZ-Geschäftsführer Bernd Kobler nimmt Stellung.

 

Herr Kobler, Ihnen obliegt die Gesamtleitung des generellen Entwässerungsplans, genannt GEP.  Dabei geht es um die Definition einer langfristigen Strategie, welche die Gemeinden bezüglich Abwasserentsorgung verfolgen. Trauen Sie sich die Leitung dieses techniklastigen Projekts als gelernter Biologe zu?

Ja, als Geschäftsführer GVRZ fühle ich mich verpflichtet, diese Aufgabe zu übernehmen, und ich tue das sehr gerne. Zudem steht mir mit Hartmut Stiess ein absoluter Profi im Bereich Entwässerungsplanung und Kanalnetz zur Seite. Seine Stelle wurde vor einem Jahr neu geschaffen, durchaus im Hinblick auf den GEP. Auch die anderen Mitglieder des Ausschusses sind mit Bedacht gewählt: Thomas Keller, Projektleiter Stadtentwässerung Zug, bringt die Sichtweise der Gemeinden ein. Urs Kempf vom kantonalen Tiefbauamt war schon dabei, als das Kanalisationssystem mit der Ringleitung gebaut wurde und bringt die Perspektive des Kantons ein. Rudolf Rüttimann vom kantonalen Amt für Umwelt ist der Experte im Bereich Umweltbelastung. Mit dieser Besetzung ist im Ausschuss das ganze Fachwissen gebündelt, das für eine erfolgreiche übergeordnete Planung nötig ist.

 

Die Gründung des GVRZ im Jahre 1970 war bereits ein Bekenntnis der Verbandsgemeinden, sich gemeinsam im Bereich Gewässerschutz zu engagieren. Warum ist jetzt zusätzlich eine übergeordnete Planung nötig?

Weil wir jetzt aktiv werden müssen, wenn die Abwasserreinigung in den uns angeschlossenen Regionen auch noch in 20 Jahren auf hohem Niveau sichergestellt sein soll. Denn die grösste Herausforderung ist das  Wachstum der Region Zug, Schwyz, Luzern. Bisher hat jede Gemeinde für sich, mitunter isoliert, ihre Probleme angeschaut, nach Lösungen gesucht und in den so genannten kommunalen GEP's geplant. Darauf aufbauend folgte der durch den Regierungsrat 2007 genehmigte GEP des Verbands. Man merkt: es gibt nicht nur einen Plan, sondern jede Gemeinde hat noch ihren eigenen. Die Gesamtleitung sorgt dafür, dass die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und dem Verband gestärkt und eine ganzheitliche Betrachtung der Abwasserentsorgung möglich wird. 

 

Der breiten Öffentlichkeit ist kaum bekannt, welche konkreten Ziele der Verband mit seiner  Entwässerungsplanung verfolgt. Worum geht es?
Der Verband hat drei Grobziele: Optimierung des Verbandsnetzes hinsichtlich Betrieb und Unterhalt. Verbesserung des Zusammenspiels Kanalnetz/Kläranlage. Gewährleistung des hohen Niveaus beim Gewässerschutz. Um diese Grobziele zu erreichen, haben wir bereits verschiedene Massnahmen umgesetzt. So wurden Entlastungsbauwerke umgebaut, die Speicherkapazitäten im Netz und in der ARA ausgebaut und die Abflüsse der Regenbecken optimiert. Um aber weitere Verbesserungen zu erreichen, ist nicht nur wichtig, dass sich die öffentliche Kanalisation in einem guten Zustand befindet, sondern auch die privaten Anlagen professionell gewartet sind und die private Grundstückentwässerung gut funktioniert.


Der Kanton gibt vor, wie die einzelnen Gemeinden ihre Abwasserentsorgung organisieren müssen. Unterschieden wird grundsätzlich zwischen Mischsystem und Trennsystem sowie Modifikationen beider Systeme. Worin liegen die Vor- und Nachteile der zwei Systeme?
Im Mischsystem wird sämtliches Abwasser, d.h. häusliches Abwasser aus Küche, Bad und WC sowie – allenfalls vorbehandeltes – gewerbliches/industrielles Abwasser zusammen mit dem oberflächlich anfallenden Regenwasser von Dächern, Plätzen und Strassen vermischt in einem Kanal der zentralen Abwasserreinigungsanlage (ARA) zugeleitet. Im Trennsystem werden das verschmutzte und das nicht verschmutzte Abwasser in zwei voneinander völlig getrennte Kanalnetze geleitet. Das oberflächlich anfallende Regenwasser wird beim Trennsystem in einem Regenwasserkanal meistens dem nächstgelegenen Gewässer (Bach, Fluss, See) direkt zugeleitet. Wir setzen in Zukunft vermehrt auf das Trennsystem. Noch heute gibt es in  verschiedenen, dem GVRZ angeschlossenen Gemeinden wie Zug, Arth oder Baar aber Mischsysteme, in denen quasi nach alter Schule Abwasser weitergeleitet wird. Andere Gemeinden wie Greppen oder Hünenberg verfügen über ein fast vollständiges Trennsystem.

 

Generell werden neu erschlossene Gebiete nur im Trennsystem gebaut. Alte Mischsysteme werden umgebaut. Worin besteht die Motivation einer Gemeinde, diesen kostspieligen Aufwand auf sich zu nehmen?
Sie tut etwas für den Gewässerschutz. Im Trennsystem sind Kanalisation und Kläranlage ausschliesslich für das anfallende Abwasser da. Das heisst, auch bei Regen nehmen die Abwassermengen nicht zu. Kanalisation und Kläranlage können entsprechend kleiner ausgelegt werden und kosten deutlich weniger. Mit den bestehenden Anlagen für die Abwasserreinigung haben wir trotz starkem Bevölkerungswachstum in der Region eine sehr gute Ausgangslage. Wir setzen darauf, dass die zusätzlichen Kapazitäten durch moderate Optimierung in der Kanalisation und der Kläranlage erreicht wird. Dieser Weg steht aber nur offen, wenn das nicht verschmutzte Abwasser, insbesondere das Dachwasser oder Strassenwasser, vor Ort abgeleitet wird oder versickert. Sauberes Sicker-, Quell-, und Grundwasser (Fremdwasser genannt) soll von der ARA ferngehalten werden, da dieses keiner Reinigung bedarf und einzig Kosten verursacht. Fremdwasser soll nicht dem natürlichen Wasserkreislauf entzogen werden.

 

Die Gesamtleitung GEP wurde in die Organisation des GVRZ integriert.  Gleichzeitig haben einige Gemeinden aber noch ihre eigenen, kommunalen GEP's, die ihrerseits zahlreiche Massnahmen enthalten und teilweise schon älteren Datums sind. Führt dies nicht zu Doppelspurigkeiten?
Damit genau dies nicht passiert, machen wir zuerst den so genannten GEP-Check. Das heisst, wir schaffen uns einen Überblick der gegenwärtigen Situation. Wir wollen wissen, welche Massnahmen wo geplant oder bereits umgesetzt sind.   Im laufenden Jahr werden wir darum mit allen  Verbandsgemeinden eine Bestandesaufnahme vornehmen.  Die Autonomie der Gemeinden ist gewährleistet, dennoch kann Entwässerung und Gewässerschutz nur erfolgreich sein, wenn alle am gleichen Strick ziehen; getreu unserem Motto: „Gemeinsam stark für sauberes Wasser“. In Zukunft wird eine klare Aufgabenteilung zwischen den Gemeinden und dem Verband möglich. Demnach bearbeiten die Gemeinden die Teilprojekte Anlagenkataster, Zustand, Sanierung und Unterhalt sowie Finanzierung. Bei den Teilprojekten Gesamtleitung, Organisation der Abwasserentsorgung, Datenbewirtschaftung, Gewässerschutz, Fremdwasser und Gefahrenvorsorge liegt der Schwerpunkt beim Verband.


Bei intensiven Regenereignissen kommt es immer wieder vor, dass die gigantischen Wassermassen nicht vollständig bis zur Kläranlage transportiert werden können. Besonders in den Berggemeinden sammelt sich mehr Wasser an, als die Leitung fassen kann. Bietet der GEP eine Lösung für diese Herausforderung?

Ja, und zwar unter den gegebenen Rahmenbedingungen. So haben höher gelegene Gebiete, wie Sie richtig sagen, eine andere Ausgangslage als tiefer gelegene. Die Kunst besteht darin, den Schwerpunkt dort zu setzen, wo der Schuh drückt. Gemeinden, welche unter grossen intensiven Regenwassermengen in ihrer Kanalisation leiden, können sich auf diese Themen konzentrieren. Andere beispielsweise, welche bereits ein Trennsystem haben, kümmern sich um andere Aufgaben. So können die Gemeinden ihre Arbeit vor allem auf jene Bereiche konzentrieren, welche schliesslich auch für das gesamte System einen positiven Nutzen haben. Dies übergeordnet zu erkennen und zu initiieren, ist Aufgabe der neu geschaffenen Gesamtleitung.