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GGZ Jahresbericht

ZUSAMMENARBEIT

Daniela Kienzler (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

1.4.2016

CHANCE GEPACKT

 

Özgür Demirpence flüchtete ohne Job und Geld von der Türkei in die Schweiz. Seine Integration gelang auch dank der GGZ, wo er eine Chance erhielt.

 

Was verbindet Sie mit der GZZ?
Ich arbeitete von Januar bis Dezember 2004 als Mitarbeiter im GGZ-Bauteilladen an der Feldstrasse 6 in Zug. Der Kontakt kam dank der Caritas zustande, die mich als anerkannter Flüchtling bei der Integration, bei der Wohnungs- und Jobsuche unterstützte. Dies alles war sehr schwierig, da ich kein Deutsch konnte, und beruflich nicht qualifiziert war. Die Caritas kannte das Angebot der GGZ und dachte, dass ich hier vielleicht eine Chance hätte. Nach einem ersten Treffen erhielt ich die Zusage.

 

Worin bestand Ihre Aufgabe im Bauteilladen?
Ich half bei Möbeltransporten und bei der Entsorgung von Bauteilen, sortierte verwertbares und nicht mehr brauchbares Material aus und reinigte die Teile, die für den Wiederverkauf bestimmt waren. Später durfte ich auch kleinere Montagearbeiten übernehmen und konnte, nachdem ich die Fahrprüfung in Zug bestanden hatte, den Lieferwagen fahren. Ich arbeitete zu 100 %, hatte Freude an der Arbeit und verstand mich gut mit meinen Kollegen und mit meinem Chef.

 

Aber Sie konnten ja gar kein Deutsch.
(lacht schallend) Ja, das war tatsächlich problematisch, aber manchmal auch wieder lustig. Man sagte mir, ich solle einen Hammer holen und ich brachte den Schraubenzieher. Aber irgendwie hat es mit der Zeit funktioniert. Ich verständigte mich mit Händen und Füssen, beobachtete, was die anderen machten und tat es ihnen gleich. Wenn eine neue Aufgabe kam, zeigt sie mir mein Chef vor und ich machte es ihm nach. Die Namen der Werkzeuge und Bauteile konnte ich dann schnell einmal und manchmal übersetzte auch ein Landsmann, der bereits Deutsch konnte.

 

Wie und wann sind Sie in die Schweiz gekommen?
Im Jahre 2001 als Flüchtling. Ich komme aus der Osttürkei, aus der Stadt Dersim, bin Kurde und flüchtete, als der Krieg ausbrach. Geflüchtet bin ich via Bosnien, Slowenien, Slowakei, und Italien. Unterwegs war ich zu Fuss, mit Autostopp oder öffentlichen Verkehrsmitteln. Mein Asylgesuch wurde in der Schweiz gutgeheissen, aber die Arbeitssuche gestaltete sich schwierig. Gerne wäre ich darum noch länger bei der GGZ geblieben, aber mein Einsatz war auf ein Jahr begrenzt. Drei Jahre lang arbeitete ich anschliessend als Chauffeur bei einer Bäckerei im Kanton Aargau, danach als Mitarbeiter bei einem Putzinstitut und zuletzt fand ich eine Anstellung bei einer Kanalreinigungsfirma. Nachdem ich drei Jahre dort war, beherrschte ich das Knowhow, machte mich selbständig und gründete meine eigene Firma "Express Kanalreinigung". Für diese bin ich nun verantwortlich.

 

Wie ist die Auftragslage?
Gut. Aber man muss Geduld haben und den Kundenkreis Schritt für Schritt ausbauen. Die ersten acht Monate nach der Firmengründung erledigte ich parallel dazu noch Nebenjobs im Stundenlohn. Jetzt arbeite ich ausschliesslich für meine eigene Firma und bin am Akquirieren. Vor allem im Gastronomiebereich habe ich viele Kunden und dank einem guten Internetauftritt findet man meine Website schnell. Fleiss, Genauigkeit, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit sind sehr wichtig. Das habe ich bei der GGZ gelernt. Jeder ist für sein Glück selber verantwortlich und kann etwas erreichen, wenn er sich anstrengt und sich Mühe gibt.

 

Sie lernen noch immer Deutsch.
Ja, im Moment mache ich wieder einen Deutschkurs. Vor Jahren hat mir das RAV einen solchen Kurs bezahlt. Jetzt finanziere ich ihn selber und bin ich auch stolz, dass ich mir das leisten kann. Nicht nur mündlich muss ich besser werden, auch schriftlich. Ich muss meinen Kunden die Emails einigermassen korrekt beantworten können. Sonst haben die Leute kein Vertrauen und geben mir keine Aufträge.

 

Welche Ausbildung haben Sie in der Türkei gemacht?
Da, wo ich herkomme, wird auf die Schuldbildung nicht viel Wert gelegt. Die obligatorische Schulzeit dauert nur fünf Jahre und die Kinder besuchen den Unterricht nicht regelmässig. So war das auch bei mir. Entsprechend gering ist mein Schulwissen.

 

Sie wirken sehr zufrieden und motiviert.
Das bin ich. Als ich in die Schweiz kam, hatte ich nichts, kein Geld, keine Freunde, keinen Job; nur eine schmutzige Jacke. Jetzt habe ich eine Firma, ein Einkommen, eine C-Bewilligung, eine hübsche Frau und zwei Kinder. Der ältere Sohn ist fünf Jahre alt und der jüngere zwei Monate. Für meine Familie gehe ich arbeiten und ich möchte für sie eine gute Zukunft gestalten. Noch heute besuche ich ab und zu meinen früheren Chef, Beat Binzegger, im Bauteilladen. Wir verstehen uns und er hat mir ein sehr gutes Arbeitszeugnis ausgestellt. Als ich bei der Bäckerei gearbeitet habe, brachte ich meinen ehemaligen GGZ-Kollegen ein Blech mit frischen Gipfeli vorbei. Ein kleines Zeichen der Dankbarkeit. Die GGZ hat mich immer sehr unterstützt und mir in meiner Anfangsphase eine Chance gegeben. So etwas vergisst man nicht.


Özgür Demirpence, Jg. 1974, arbeitet als selbständiger Unternehmer, ist verheiratet und Vater von zwei Söhnen. Er wohnt in Schwamedingen (ZH)