PUBLIKATION

Zuger Bautenführer

ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

12.1.2013

PLANUNG MIT WEITSICHT

 

Es sieht zwar auf den ersten Blick nicht danach aus. Aber der haushälterische Umgang mit Boden hat im Kanton Zug Tradition. Jetzt wird er zum wichtigsten Credo der Raumplanung.

 

Wem das Vokabular der Raumplaner um die Ohren fliegt, macht schnell dicht: «Ballungsraum», «Wachstumsbremse», «Richtplananpassung», «Siedlungsbegrenzung» und «Bebauungsplan» – zu technokratisch, zu fachmännisch und vor allem knochentrocken. Dabei geht es bei diesen hochtrabenden Begriffen eigentlich nur darum, wie wir den uns zur Verfügungen stehenden Raum nutzen, wie die Menschen in Zug künftig wohnen und arbeiten. Im Kanton Zug sind Fachleute diesbezüglich an allen Fronten aktiv und dies ist, auf Grund des rasanten Wachstums, auch nötig.


Sowohl die Anzahl der Arbeitsplätze als auch jene der Einwohner hat im Vergleich zur übrigen Schweiz überdurchschnittlich stark zugenommen. 1910 zählte der Kanton Zug 28‘000 Einwohner und 7‘350 Beschäftigte, 2012 waren  es 116‘000 Einwohner und knapp 85‘000 Beschäftigte. Am meisten gewachsen ist der Kanton Zug mit 3 % zwischen 1960 und 1970. Wohlstand, Wachstum, eine prosperierende Wirtschaft sowie intensives Akquirieren von Firmen haben  – je nach Sprachgebrauch – zu einer «dynamischen Entwicklung des Siedlungsgebietes» oder zur weniger schmeichelhaft anmutenden «Zersiedelung» geführt. Verkehrsströme und Lärmbelastungen in der Agglomeration sind angestiegen, der Druck auf die Landschaft hat sich erhöht.


Doch das ist nur die halbe Wahrheit: Der Bodenverbrauch pro Einwohner und Arbeitsplatz ist heute ähnlich gross wie 1910. Und dies, obwohl der Wohnflächenverbrauch pro Person heute deutlich höher ist, wir also grosszügiger wohnen, mehr Platz für Strassen, Park- und Fussballplätze, Altersheime und Schulhäuser brauchen. Experten rühmen diesen «haushälterischen Umgang» mit dem knappen Boden, räumen aber gleichzeitig ein, dass dieser vor allem auf den Wegzug von Produktionsstätten und den Ausbau der Dienstleistungsgesellschaft zurückzuführen ist: Treuhandbüros und Anwaltskanzleien betreiben ein weitaus weniger flächenintensives Business wie weiland die Industriebetriebe V-Zug, die Landis & Gyr oder die Spinnereien an der Lorze. Ein industrieller Arbeitsplatz beanspruchte früher über 100 Quadratmeter; für einen Bürojob reichen deren zehn.


Damit die Balance zwischen Wachstum und Wahrung natürlicher Ressourcen gewahrt bzw. optimiert werden kann, sind laufend Anpassungen innerhalb des kantonalen Richtplans nötig. Diese grosse, farbig schraffierte und detailliert legendierte Landkarte ist Instrument und Leitplanke für sämtliche raumwirksamen Tätigkeiten. Zudem enthält sie wichtige Informationen über Wildkorridore, Fruchtfolgeflächen, Landschaftsschongebiete und Grundwasserschutzzonen. Die Anpassungen kommen aufgrund von Wachstumsprognosen zustande, die wiederum auf den Faktoren Geburten, Zu- und Abwanderung sowie Lebenserwartung basieren. Im Richtplan, wie er dem Kantonsrat  in einer Vorlage präsentiert werden soll, wird die Bevölkerungszahl für das Jahr 2020 bei maximal 124‘000 Einwohnern und für 2030 bei maximal 135‘000 Einwohnern definiert.


Dieser wohl mehrheitsfähige Zielwert evoziert nun die Frage, wie viele Leute in den bisher noch nicht bebauten Bauzonen – es handelt sich um eine Fläche von knapp 250 Hektaren  (entspricht 250 Fussballfeldern) – noch «Platz» haben und wo und wie man die Restzahl unterbringt. Die Raumplanung hat auch dies errechnet: Davon ausgehend, dass die gegenwärtig zur Verfügung stehenden Bauzonen eine Kapazität für insgesamt 128‘000 Personen bieten, soll nun via Verdichtung noch Platz für weitere  7‘000 Menschen geschaffen werden. Denn die Strategie des Kantons besagt, dass in den nächsten 15 bis 20 Jahren bei den  Ortsplanungsrevisionen keine «substanziellen Einzonungen» mehr bewilligt werden sollen, wobei diese Formulierung  noch zu Diskussionen Anlass geben dürfte, da sie (zu)  viel Interpretationsspielraum zulässt.


Als Verdichtungsgebiete definiert sind die Gebiete entlang der Baarerstrasse zwischen Zug und Baar, der Norden von Rotkreuz , das Gebiet Hinterberg in Steinhausen, das Gebiet Bösch in Hünenberg, die Quartiere Alpenblick und Papierfabrik in Cham sowie die Gegend um Walterswil und Sihlbrugg. Dies deckt sich auch mit der Strategie des Metropolitanraums Zürich. Der aus acht Kantonen (ZH, AG, TG, SH, SZ, SG, ZG, LU) bestehende, 2009 gegründete  Verbund will 80 % von dessen Wachstum auf die urbanen Zentren der Schweiz – für Zug ist dies der Talboden – lenken. Zudem sollen Grundlagen für eine „grenzenlose“ Raumplanung geschaffen werden; grenzenlos insofern, als der Verbund den Blick aufs Ganze schärfen und  über die Tellerränder der Gemeinden und Kantone hinausblicken will. Ein ähnlicher Gedanke liegt dem von Bund, Kantonen und Gemeinden lancierten «Raumkonzept Schweiz»  zugrunde, das eine nationale Planung in „geordnete Bahnen lenken“ will, was von verschiedenen Volksvertretern argwöhnisch beobachtet wird. Man lässt sich, so die Kritik, doch nicht «von Bern» die Planungsautonomie aushebeln und eine raumplanerische Käseglocke überstülpen.


Es gibt auf Kantonsboden nämlich durchaus Gebiete, die aus heutiger Sicht die Hürde zur Einzonung nicht mehr nehmen würden. So etwa die Rischer Villenzone am See, die Überbauungen Grod und Böschi am Oberägerer  Seehang oder die neuen Baugebiete in Alosen und Edlibach. Diese Zonen sind vom Siedlungskörper losgelöst und landschaftlich exponiert. Ein weiteres Diktum für die Zukunft: Ortsteile sollen nicht mehr konturlos zusammenwachsen, wie dies in der Vergangenheit an den Stadträndern von Zug und Baar geschehen ist, sondern mittels Siedlungsbegrenzungslinien erkennbar voneinander getrennt sein. Für die Identität einer Ortschaft ist dies von Bedeutung: Jetzt bin ich nicht mehr in Cham oder Hünenberg. Jetzt komme ich nach Holzhäusern.


Bezüglich Hochhäuser gibt der Richtplan lediglich vor, dass diese in den Teilraum 1 gehören. Das heisst: Abgesehen von Zuger- und Walchwilerberg, vom Ägerital und sensiblen Gebieten in der Reussebene können die Gemeinden via Ortsplanung frei über Hochhauszonen verfügen. Die Stadt Zug etwa will die Teilräume im Norden und Westen als mögliche Standorte für höhere Häuser bestätigen, während die Hügelpartien und die Seeufergebiete für diesen Bautyp nicht in Frage kommen. Per richtplanerischer Definition ist unter einem Hochhaus ein Gebäude von mehr als 25 Metern Höhe zu verstehen, was zirka acht Stockwerken entspricht, wobei die für Diskussionsstoff sorgenden Bauten in der Stadt Zug alle wesentlich höher sind: Das Gebäude «Uptown»  neben dem EVZ-Stadion ist 63 Meter hoch, der sich im Bau befindliche Parktower misst 82 Meter und die beiden Hochhäuser, die gegenwärtig zwischen Guthirt und Kistenfabrik realisiert werden, ragen am Ende zwischen 50 und 60 Meter in den Himmel. Sie sind durchaus als Appell an den Bürger zu verstehen, sich von der Vorstellung zu lösen, dass Hochhäuser per se weniger «schön»  sind als Einfamilienhäuser. Denn diese blendet grosszügig aus, dass es von letzteren eine Vielzahl gibt, die dem Auge nicht schmeicheln.


Das Credo «in die Höhe statt in die Breite» gilt auch für Gewerbebauten. Noch immer existieren im Kanton Zug viele zweigeschossige Gewerbebauten aus den 70-er Jahren, die sympathisch anmuten aber schlicht zu viel Platz beanspruchen. Ein aktuelles Beispiel, wie gewerbliche Verdichtung funktionieren könnte, zeigt das Bauprojekt der Korporation Zug im Choller. Hier entsteht ebenfalls auf zwei Geschossen Gewerbefläche, doch werden diese mit vier Wohngeschossen ergänzt. Herausragend und gleichzeitig vornehm in Szene setzt sich schliesslich der Campus von Roche Diagnostics in Rotkreuz. Deren  ausdrucksstarke Gebäude sind in eine botanisch reizvolle Grünanlage integriert und stehen, gleichsam als Wahrzeichen, symbolisch für die prosperierende Ennetseegemeinde. Jene Gemeinde, die gemäss einer Statistik aus dem Jahre 2010 pro Einwohner und Beschäftigte mit Abstand am meisten Geld für Bauinvestitionen ausgibt.


Gerade auf dem teuren  Stadtzuger Boden existieren aber auch wenig inspirierte und austauschbare  0815-Bauten; etwa im Bereich der Eigentumswohnungen, wo weder seitens der Bauherr- noch der Käuferschaft der Anspruch auf gute Architektur erhoben wird, sondern es in erster Linie um ein Investment geht. In diesem Zusammenhang kritisch hinterfragt wird darum auch immer wieder das Instrument der Arealbebauung oder des Bebauungsplans, bei dem die Gemeinde – als Gegenleistung für die besonders gute Einbindung der Bauten ins Siedlungsbild – dem Bauherr eine höhere Ausnützung gewährt. Doch während die hohe Ausnützung dem Laien sofort ins Auge springt, fragt er sich zuweilen oft, worin nun die «besonders gute Einbindung der Bauten ins Siedlungsbild» bestehen mag.


Dass eine zusätzliche bauliche Verdichtung einen finanziellen Anreiz für Grundeigentümer bedeuten kann, liegt auf der Hand. Die aktuelle Entwicklung gründet daher mindestens so sehr auf siedlungspolitischer Einsicht wie auf finanztechnischen Aspekten: mit einer dichteren Überbauung lässt sich in der Regel an einem Stück Boden mehr Geld verdienen. Allerdings ist auch den Behörden klar, dass kein Bauherr oder Architekt gezwungen werden kann, höher und dichter zu bauen. Niemand wird einen noch nicht vor langer Zeit erstellten und baulich intakten Häuserkomplex einfach abreissen, nur um die Ausnützung um zehn Prozent zu erhöhen. Experten haben errechnet, dass die Steigerung der Ausnützung mindestens im Bereich von 50 % liegen muss, damit sich der Aufwand für ein Neuprojekt zu Gunsten der Verdichtung lohnt.


Nicht weiter verfolgt wird – aufgrund politischer Widerstände - im Stadtgebiet ein Konzept zur «Entdichtung», bei dem es vorab um den Erhalt architektonisch wertvoller Villen mit parkähnlichem Umschwung am Fusse des Zugerbergs ging. Deshalb erfasst die Verdichtung nun auch die Wohnlage der Privilegierten. Und Passanten blicken statt durch gusseiserne Tore und in verwunschene Gärten immer häufiger in dunkle Schlunde von Tiefgarageneinfahrten. Eine natürliche Entdichtung findet interessanterweise dennoch statt: Durch die stark gestiegene Lebenserwartung bleiben viele grosszügig angelegte Einfamilienhäuser nach dem Auszug der Kinder oft für lange Zeit unterbelegt. In solchen Fällen bleiben etwa Senioren noch lange Jahre nach dem Hinschied des Partners in der vertrauten Umgebung wohnen.


Besonderen Schutz erfahren künftig die so genannten Grünzüge in den Gebieten Zugerberg/Allenwinden, Lorzenebene und Knonaueramt. Sie dringen über alle Gemeinden hinweg ins Siedlungsgefüge, mitunter gar bis zum See vor und spielen eine zentrale Rolle in der Naherholung, sind aber gleichzeitig einem hohen Siedlungsdruck ausgesetzt. Gerade weil der Traum vom Einfamilienhaus mit Garten im Kanton Zug für die meisten Leute  unerfüllt bleibt, soll die öffentliche Grünfläche vehement verteidigt werden. Das erklärte Ziel der Planer ist es, dass man überall im Kanton Zug innerhalb von fünf Gehminuten im Grünen ist und einen Park, eine Wiese oder einen Wald aufsuchen kann.


Um die Gemeinden bei der übergeordneten Planung im Boot zu haben, startete die Baudirektion  im Januar 2011 die ersten Workshops. Damals fiel auch der Begriff von einer «Kontingentierung der Bauzonen». Die Idee bestand darin, dass pro Jahr nur eine bestimmte Fläche des rechtsgültig eingezonten Landes (für die Stadt Zug zum Beispiel 1 Hektare von total 30 Hektaren) überbaut werden darf. Doch der Vorschlag fiel durch. «Was eingezont ist, ist eingezont», lautete die Antwort der gemeindlichen Bauchefs. Widersprüche und Konflikte begleiten jede anstehende Richtplananpassung. Der Kanton fühlt sich von den Vorgaben des Bundes bevormundet, die Gemeinden vom Kanton; ganz zu schweigen vom Druck der Interessengruppen, die ihre Wünsche durchsetzen und Ansprüche nach Raum geltend machen wollen: Auto- und Velofahrer, Wanderer, Schützen, Campierer, Biker, Surfer, Hundebesitzer und last but not least die Bauern. Auch sie stimmen in den Refrain über den Verlust von Kulturland ein, sind gleichzeitig aber vehement dagegen, dass ländliche Regionen in ihrer Entwicklung «behindert» werden.


Die Theorie vom «gebremsten Wachstum» lässt sich eben nicht ohne weiteres in die Praxis umsetzen und vieles, was sich auf dem Papier simpel anhört und vernünftig klingt, birgt gewaltig Zündstoff. Vor allem in den ländlich geprägten Gemeinden, die in den letzten Jahrzehnten gemächlich gewachsen sind und sich gerne noch ausdehnen würden, lässt man sich von Bund und Kanton ungern in ein bauliches Korsett zwängen. An der 2012 hauchdünn angenommenen Zweitwohnungs-Initiative lässt sich ablesen, wie schwer man sich tut, einmal demokratisch gefasste Beschlüsse auch wirklich in die Tat umzusetzen. Statt einen konsequenten Baustopp gibt es «dank» erfolgreichen  Drucks  der Baulobby und der Bergkantone sowie einer Verordnung des Bundesrates für die Zeit nach dem 1. Januar 2013 zahlreiche Ausnahmen, um trotzdem weiterhin mehr oder weniger legal Zweitwohnungen zu erstellen.


Zudem muss auch das Postulat nach Verdichtung in seiner Absolutheit in Frage gestellt werden. Als Allheilmittel gepriesen bringt sie durchaus auch negative Konsequenzen mit sich: mehr Anonymität oder gar Konfliktpotential, weniger Licht, Sonne, Abstände und Grünräume. Dies alles kann den Wunsch der Bewohner, aus ihrem knapp konzipierten und mitunter unwirtlichen Lebensraum auszubrechen, verstärken, was wiederum mehr (Freizeit-)Verkehr erzeugt. Zudem darf nicht vergessen werden, dass die Menschen der Verdichtung grundsätzlich skeptisch, ja ablehnend gegenüberstehen, spätestens dann, wenn ein Gebäude ihnen den  Seeblick raubt oder zu viel Schatten aufs eigene Grundstück wirft. Ausdrücke wie «Zubetonierung» und «Dichtestress» machen die Runde. Die Verdichtung mag als Rezept, wie mehr Menschen auf einem Flecken Boden angesiedelt werden können, dienen. Aber wie der damit verbundene Mehrverkehr bewältigt wird, steht auf einem anderen Blatt Papier.


Bereits in den Ortsplanrevisionen zwischen 2004 und 2010 (in dieser Zeitspanne wurden in den Zuger Gemeinden insgesamt gut 70 Hektaren Land eingezont) galt es, unterschiedliche Interessen zu verteidigen. Und schon damals mussten die Gemeinden den Beweis erbringen, dass die von ihnen geforderten Neueinzonungen unumgänglich waren. Doch künftig muss der Bevölkerungsanstieg  –von kleinen Arrondierungen abgesehen – konsequent über die Verdichtung im bestehenden Siedlungskörper bewältigt werden. Das heisst: Auf der grünen Wiese kann zwar weiterhin gebaut werden, aber eben nur  auf jenem Land, das schon eingezont ist. Da der Kanton Zug über relativ viele unbebaute Arbeitszonen verfügt – insgesamt sind es rund 75 Hektaren - sind freilich auch Umzonungen von der Arbeits- in Wohn- oder Mischzonen ein Thema.


Ein gesamtschweizerischer Vergleich mittels Arealstatistik sowie eine neue Studie von Avenir Suisse attestieren dem Kanton Zug in der Vergangenheit einen haushälterischen Umgang mit dem Boden, jedenfalls seit  1994. Ab diesem  Zeitpunkt bis 2007 stieg das Wachstum von Bevölkerung und Beschäftigten um 2,2 %, doch der Zuwachs der Siedlungsfläche fiel mit 0.9 % geringer aus. In keinem anderen Kanton ist die Bauzonenfläche pro Einwohner so gering. «Ihr habt gut reden», muss sich der Zuger Raumplaner dann von seinem Kollegen aus dem Kanton Aargau anhören. «Logisch verbaut ihr weniger Land, wenn der Zuger Mittelstand in den Aargau flüchtet, um sich bei uns sein  700-Quadratmeter-Eigenheim mit Garten zu bauen». Lanciert ist die gesellschaftspolitische, leidenschaftlich geführte, wenn auch nicht mehr ganz neue Diskussion mit der zentralen Frage: Gibt es ein Recht darauf, in Zug zu wohnen? «Es fährt ja auch nicht jeder einen Ferrari» lautet eine beliebte Entgegnung, die ignoriert, dass eine Stadt und ein Kanton nur lebendig bleibt, wenn im politisch-planerischen Prozess die Bedürfnisse verschiedener Alters- und Einkommensklassen berücksichtigt werden. Monokultur, man weiss es aus der Landwirtschaft, hat keine Zukunft.


Wahlweise werden die  «zuvielen Ausländer und Asylsuchenden», die «reichen Russen» und «gierigen Spekulanten» oder die Folgen der Personenfreizügigkeit in Europa für die aktuelle Situation verantwortlich gemacht. Und dies, obwohl einleuchten sollte, dass die Gründe für Zersiedlung hochkomplex und vielschichtig sind. Vermutlich werden diese Argumente einfach deshalb bemüht, weil den meisten Leuten die Bereitschaft fehlt, ihr Konsum-, Freizeit-, Mobilitäts- und Wohnverhalten zu überdenken oder gar zu verändern, was angesichts der laufenden Entwicklung jedoch dringend nötig wäre. Denn unser Lebensstil ist es, der die Ausgestaltung des kantonalen Richtplans letztlich am stärksten beeinflusst. Hierzu ein Vergleich: Die Niederlassung von schweizweit 200 neuen Aldi- und Lidl-Filialen beansprucht gleichviel Raum wie der Bau von 10‘000 neuen Vierzimmerwohnungen in fünfgeschossigen Gebäuden. Und die  derzeit in der Schweiz bewirtschafteten 91 Golfplätze entsprechen der Fläche des gesamten Thunersees.


«Wir haben keine zweite Schweiz im Keller» sagte der Lausanner Stadtpräsident anlässlich der Medienkonferenz zur Präsentation des Raumkonzepts Schweiz. Diese Aussage  darf auf Zug adaptiert werden, denn einig sind sich Siedlungsplaner, Landschaftsschützer, Baufachleute, Behörden und Exponenten über alle politischen Parteien hinweg: Wir haben keinen zweiten Kanton Zug im Keller. Umso wichtiger wäre es, dass sich der öffentliche Diskurs nicht in einem Zahlenkrieg bezüglich Höhe und Abstände von Häusern, in der Material- und Farbwahl von Fassaden erschöpft. Stattdessen sollte stärker auf die Nutzungsvielfalt fokussiert werden. Denn ein Haus, selbst wenn ihm von Fachkreisen höchste architektonische Qualität attestiert  wird, ist tote Materie, eine Hülle, die zum Leben erweckt werden will. Wirft dessen Innenleben nicht nur einen unmittelbaren finanziellen Profit für den Investor, sondern auch einen facettenreichen gesellschaftlichen Mehrwert ab, stellen Urbanisierung und Verdichtung für den Kanton Zug  echte Chancen dar und werden von der Bevölkerung  akzeptiert und mitgetragen.