PUBLIKATION

Personalzeitung Kanton Zug

ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

2.4.2013

DASEIN, WENN'S BRENNT

 

Die Beratungsstelle Zuger Kantonalen Frauenbunds unterstützt Paare und Einzelpersonen bei kleinen und grossen Krisen. Ana Astray und Friedemann Haag ergänzen sich in der therapeutischen Arbeit optimal.

 

Die Mittvierzigerin, die neulich bei der ZKF-Beratungsstelle um Rat suchte, war weder völlig verzweifelt noch wirklich glücklich. Viel mehr  wusste sie, dass sie in ihrem Leben etwas ändern wollte: Die vier Kinder aus dem Haus, der Mann ohne Zukunftspläne, das Liebesleben am Einschlafen  und ihr persönliches Grundgefühl geprägt von Monotonie und Langeweile.


Nach einem ersten Telefongespräch mit der Paartherapeutin Ana Astray, 49, standen die Frau und ihr Ehemann vor der Tür im ersten Stock an der Alpenstrasse 13 in Zug.  Im Gespräch zeigte sich schnell: Er will um jeden Preis mit ihr zusammen bleiben, sie mit ihm nur unter gewissen Bedingungen. «Meine Aufgabe bestand darin, für das Klientenpaar ein Klima zu schaffen, in welchem es kommunizieren konnte», erklärt Astray und betont, dass genau dies sehr oft nicht mehr funktioniere.



Was in Beratungen vereinfacht unter dem Motto «Hilfe zur Selbsthilfe» angewandt wird, ist in Wahrheit ein hartes Stück Arbeit. Rund 140 bis 180  Frauen und Männer vertrauen sich jährlich Ana Astray und ihrem Beratungskollegen Friedemann Haag, 61, an. Die meisten Ratsuchenden sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. Nicht wenige davon suchen zum ersten Mal in ihrem Leben professionelle Unterstützung. Erfreulich ist, dass immer mehr Männer sich ihrer Bedürfnisse bewusst werden und sich einer professionellen Unterstützung von aussen öffnen.

Das war nicht immer so. Als der ZKF 1971 zusammen mit der evangelisch-reformierten Kirchgemeinde des Kantons Zug und der katholischen Kirchgemeinde der Stadt Zug die damalige «Ehe- und Lebensberatungsstelle» ins Leben rief, erschienen zur Paarberatung meist nur die Frauen, wie Paul-Anton Bucher, Berater der ersten Stunde, betont. Der heute 80-Jährige, immer noch in Zug wohnhafte Psychologe, erinnert sich noch gut an diese Zeit: «Die Ehemänner von damals waren grösstenteils verschlossen und hatten Mühe, über Schwierigkeiten in der Beziehung zu sprechen. Zudem galt es als unmännlich, Hilfe von einem Psychologen in Anspruch zu nehmen.» Nur selten, so Bucher, habe er die  Männer dazu bewegen können, ebenfalls in die Beratung zu kommen. In solchen Fällen seien die Chancen auf Veränderungen viel besser gestanden. Fragen und Probleme rund um die Sexualität wurden schon damals zur Sprache gebracht. Doch auch hier zeigte sich bei vielen Ratsuchenden eine Hemmschwelle; «oft als Folge einer streng konservativen Erziehung, die so manches tabuisierte.»


In dieser Hinsicht, so Friedemann Haag, habe sich vieles zum Guten verändert. Der in einem Drei-Generationen-Haus aufgewachsene Sozialpädagoge, systemische Psychotherapeut und dreifache Familienvater bringt einen reichen Erfahrungsschatz mit, weiss, was das Leben an Höhen und Tiefen so alles zu bieten hat und ist mit einem Sensorium für menschliche Zwischentöne ausgestattet. Dies gilt auch für seine Kollegin Ana Astray. Die Mutter zweier Töchter hat vor ihrem Engagement bei der leb jahrelang als Psychologin mit Paraplegikern  gearbeitet und weiss, was es bedeutet, wenn sich Menschen in einer für sie ausweglos anmutenden Situation befinden und nicht mehr weiter wissen. 


Unabhängig davon, ob es um Isolation und Einsamkeit, Aussenbeziehungen, Schwierigkeiten am Arbeitsplatz oder in der Erziehung, Suchtprobleme, Krankheit, Depressionen oder die Verarbeitung eines Todesfalles geht: In der Beratung werden gemeinsam Lösungen gesucht und erarbeitet. Sei dies mit langjährigen Singles, die  erfolglos das Glück der Zweisamkeit gesucht haben und mit dem Latein am Ende sind oder mit jungen Familien, die nach der Euphorie der Säuglings- und Kleinkinderphase frustriert realisieren, dass manches knapp und immer knapper wird: Zeit, Geld, Zärtlichkeit, Sex.


Fünf Tage die Woche ist die Stelle besetzt und spielt in der psychosozialen Versorgung der Bevölkerung des Kantons Zug eine wichtige Rolle. Das Beratungsteam verfügt über ein  Pensum von 130 Stellenprozent. Eine Sitzung dauert meist ein bis eineinhalb Stunden. Nach durchschnittlich fünf  Terminen wird überprüft, welche Veränderungsziele bereits erreicht wurden und ob neue Ziele dazu gekommen sind. Astray und Haag ergänzen sich optimal und koordinieren jene Anfragen, für die sie aufgrund ihrer Qualifikationen geeignet sind. Während Haag aufgrund seiner Ausbildung und Berufserfahrung im Bereich der Sexualtherapie und Männerarbeit berät, ist Astray auf Elterncoaching und die Migrationsthematik spezialisiert. Zudem führt sie auch  Beratungen in Spanisch und Portugiesisch durch, die mittlerweile einen Drittel der Gesamtberatungen ausmachen.

Immer fordert Haag von seinem Gegenüber im Erzählen auch sprachliche Präzision. Vom zweifachen Familienvater, der seine Frau betrogen hat, will Therapeut Haag wissen, ob die «andere» Frau nun als die Geliebte, die künftige Freundin oder als Affäre zu bezeichnen sei. Trotz der tiefen Wunde, die der Mann seiner Frau zugefügt hat, war diese nach mehreren Sitzungen bereit, die Beziehung weiterzuführen. Vergessen könne sie den Seitensprung ihres Mannes zwar nicht, sie werde aber im Laufe der Zeit versuchen, ihm zu verzeihen. Doch viel wichtiger als diese Botschaft war die beiläufig in der Beratung ermittelte Gefühlslage, in der das Paar offenbar seit Jahren verharrte. Sie fühlte sich von ihm nicht wahrgenommen, er sich von ihr genauso wenig. Ana Astray versucht grundsätzlich, die «Geschichte der Partnerschaft» in Erfahrung zu bringen und so herauszufinden, welche Ereignisse, Situationen und Krisen das Paar schon durchlebt hat und welche Handlungs- und Rollenmuster in der Beziehung festgefahren sind. Der Blick von aussen ist für diese Männer und Frauen durchaus wertvoll. Friedemann Haag ist überzeugt: «Bereits gegenseitiges Zuhören verändert viel.»

 

Der mit dem Kanton Zug im Jahr 2007 vereinbarte Leistungsauftrag erlaubt ein abgestuftes und sozial verträgliches Tarifsystem. Das erste Gespräch ist kostenlos, für weitere Gespräche werden, je nach Einkommen, zwischen 30 und 190 Franken verrechnet. Dem Kantonalbeitrag von jährlich rund 350‘000 Franken stehen Klienteneinnahmen gegenüber, die sich zwischen 30‘000 und 35‘000 Franken bewegen. Bei spezifischen Fragestellungen, die ausserhalb des mit dem Kanton vereinbarten Leistungsrahmens liegen, verweist das Beratungsteam die Klienten an geeignete Institutionen. Zum Beispiel, wenn Gewalt oder Arbeitslosigkeit im Spiel ist, wenn massive Suchtprobleme da sind oder Klienten unter schwerwiegenden psychiatrischen Störungen leiden.

 

Wer bei der Paar und Einzelberatung leb anklopft, zeigt Offenheit, Bereitschaft und Hoffnung auf Veränderung. Die Zufriedenheit der Hilfesuchenden lässt sich nicht an der Höhe ihrer finanziellen Selbstbeteiligung ablesen. Eine in bescheidenen Verhältnissen lebende Bäuerin, die mit ihrem Mann nicht mehr klar kam, bedankte sich nach jeder Sitzung mit einem kräftigen Händedruck und einem Glas selbst gemachter Konfitüre

 

100 Jahre Zuger Kantonaler Frauenbund  (ZKF)


Jubiläums-GV und Vernissage der Festschrift am 16. Mai 2013


Im Jahr 2013 feiert der ZKF sein 100-Jahr-Jubiläum. 1913 gegründet, engagiert er sich auf der Basis einer christlichen Grundhaltung für gesellschaftliche Anliegen, insbesondere von Frauen und Familien, ist im Bildungsbereich und Kurswesen aktiv und sozial-karitativ tätig. Der ZKF wird von Esther Lötscher aus Neuheim präsidiert und ist dem Schweizerischen Katholischen Frauenbund (SKF) mit Sitz in Luzern angeschlossen. Die Beratungsstelle «leb» ist nur eines von vielen Angeboten, das unter dem Dach des ZKF geführt wird. 


Die traditionelle «Mütterhilfe» und die Aktion «Weihnachtsbriefkasten» unterstützen beispielsweise Personen, die sich in einer finanziellen Notlage befinden. In den ZKF-Nähkursen leben die Frauen ihre kreative Seite aus, und im Nostalgiechor des ZKF wird das Liedgut vergangener Zeiten gepflegt. Jahrzehntelang hat sich der ZKF bei der Vermittlung von Tagesmüttern engagiert, und so einen wichtigen Beitrag für die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit geleistet. Pionierhaft war auch die Gründung der Gruppe Alleinerziehender, die bis heute aktiv ist, und bei der sich getrennt lebende oder geschiedene Mütter und Väter für gemeinsame Freizeitaktivitäten treffen. Jedes Jahr organisiert der ZKF zudem die «Seniorentage», eine zweitägige Veranstaltung, die jeweils im Lassalle-Haus in Edlibach stattfindet, und bei der philosophisch-sinnliche Themen im Zentrum stehen.

Der ZKF bildet die Dachorganisation sämtlicher Frauengemeinschaften, die in den Gemeinden aktiv sind und ein vielfältiges, auf die Bedürfnisse der Einwohner ausgerichtetes Programm bestreiten. Es erstreckt sich vom Kinderhütedienst über den Jassnachmittag, Kleinkindertreff, Fasnachtshöck, Blumensteckkurs bis hin zu gemeinsam gestalteten Frauengottesdiensten. Insgesamt leisten so unter dem Dach des ZKF rund 7‘000 Frauen Freiwilligenarbeit und pflegen ein Netzwerk, das sich über den ganzen Kanton spannt. Gemäss Leitbild will der ZKF die Solidarität unter den Frauen stärken und die Mitglieder zu einem eigenständigen «Frau-Sein» mit innovativem Denken und Handeln ermutigen.


In seinen Anfangszeiten war der Frauenbund – vor allem der Vorstand – privilegierten Schichten vorbehalten. Vertreten waren die «Frau Doktor», «Frau Professor», «Frau Direktor» oder «Frau Ständerat». Die gesellschaftliche Stellung der bürgerlichen Frau definierte sich somit in erster Linie über deren beruflich arrivierte Männer. Vor der Erfindung von Waschmaschine, Kühlschrank und Staubsauger hatten nur Frauen, die sich Hausangestellte leisten konnten und die nicht aus existentiellen Gründen einer Erwerbstätigkeit nachgehen mussten, Kapazität, sich ehrenamtlich zu engagieren.


Wie sich die gesellschaftliche Emanzipation der Frau im Laufe des 20. Jahrhunderts in der Geschichte des ZKF spiegelt, welche Bedeutung der ZKF im Kanton Zug heute hat und welche Zugerinnen innerhalb dieser traditionellen «Frauen-Bande» wirken, illustriert  eine Festschrift in Wort und Bild, die am 16. Mai 2013 anlässlich der ZKF-Jubiläums-GV in Unterägeri der Öffentlichkeit vorgestellt wird.