PUBLIKATION

Schweizer Familie

ZUSAMMENARBEIT

Heidi Ambiel (Fotografie)

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

4.1.2008

LäCHELN VERBOTEN

 

Anmerkungen zum Passfoto

 

Lächeln verboten – unter diesem Motto sammelte ein 51jähriger Amerikaner über Jahre hinweg so genannte «Mug Shots»: historische Polizei- und Fahndungsfotos, mit denen nach schweren Jungs, Serienmördern, Heiratsschwindlern und Gangsterbräuten gesucht wurde. «Ricky Palmer, Beverly Hills No. 388893», stand da beispielsweise auf dem Schild: «Treibt sich in Bars auf dem Sunset Strip herum. Liebt es, auf grossem Fuss zu leben und gibt sich als Repräsentant eines Filmstudios aus. Steigt bevorzugt in teuren Hotels ab und bezahlt die dort auflaufenden hohen Rechnungen mit ungedeckten Schecks.»

 

«Lächeln verboten», schnautzte uns unlängst auch die Angestellte in einem Fotogeschäft an, als sich Jakob und ich dort zu einem Fototermin einfanden. Seine Identitätskarte war abgelaufen. Das Foto aus der Säuglingszeit entsprach in keiner Weise mehr dem Äusseren des mittlerweile Sechsjährigen. Ein neues Passbild musste her.

 

«Keine Panik», beruhigte ich ihn, der verängstigt auf meine unglückselige Wendung «Foto schiessen» reagierte. Und um den bevorstehenden Termin ein bisschen attraktiver zu gestalten, schlug ich vor, dass er sich im Kleiderschrank seinen Lieblingspulli und ein dazu passendes Poloshirt aussuchen durfte. «Ich mache mich richtig fein», freute sich Jakob daraufhin, setze sich auf den Drehstuhl im Fotostudio und blickte erwartungsfroh durch die Linse. Aber eben: «Bitte nicht lächeln!», schnautzte ihn die Fotografin an und wies ihn darauf hin, dass das Foto für ein amtliches Dokument einer gewissen Seriosität bedürfe, keine Spiegelung, kein Schatten, keine Unschärfe aufweisen dürfe und der Gesichtsausdruck neutral sein müsse. Neutral? Jakob verstand nichts. Seine Miene verfinsterte sich, seine Mundwinkel zogen sich nach unten. Er drückte den Kopf zwischen die Schultern und blickte böse geradeaus. Dann klickte es, und wenig später hielten wir das neue Passfoto in der Hand, das wie ein «Mug Shot» aussah.

 

Es fehlte nur noch die Unterzeile: «Zug No. 665789. Blieb unerlaubt mehrere Tage dem Kindergarten fern, hat gelogen, genascht, das Zähneputzen verweigert, Wände mit Filzstiften bemalt, seine Schwester beleidigt und in der Wut ein Legohaus zertrümmert. Sachdienliche Hinweise, die zur Verhaftung des Delinquenten führen, bitte an den nächsten Polizeiposten.»