PUBLIKATION

Annabelle

ZUSAMMENARBEIT

Foto Maurice Haas

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

28.2.2007

KOSMOPOLIT UND MULTITALENT

 

Am 4. März wird der «Music Star» der dritten Staffel gekürt. Einer steht mit seinem gewinnenden Wesen längst als Sieger fest: Der Moderator der Sendung.

 

Wie frisch, wie spitzbübisch und vergnügt es aussieht – dieses schmale, kantige Gesicht von Max Loong, der auf dem Trottoir der Wintersonne entgegengeht. Der junge Mann strahlt, als würde seine Freundin auf ihn warten, dabei stehen hier, an der Bolleystrasse im Stadtzürcher Kreis 6, bloss ein Fotograf und eine Journalistin. «Wow!», entfährt es ihm. «Hallo zusammen, an diesem wunderschönen Morgen!» Schwer zu sagen, was den Fernsehmoderator zu solcher Euphorie veranlasst. Das ist wohl seine Natur.


Als er auf einer steilen Steintreppe in das unterirdische, feuchte, stillgelegte Wasserreservoir gelangt, platzt es abermals aus ihm heraus: «Wow, so eine geile Location hab ich ja noch nie gesehen.» Er freut sich auf das Fotoshooting im fünf Millionen Liter fassenden Trinkwasserspeicher. «Hier könnte man eine mega Party machen.»


Als Moderator des Singconcours «Music Star» sind sein Gesicht und sein lockeres Mundwerk schweizweit bekannt. «TV Sonnyboy» und «Everybody’s Darling» sind die meistgenannten Bezeichnungen, wenn sein Name fällt. Selten gelang es einem medialen Akteur, seine Ambitionen so unverkrampft zu pflegen.


Dabei betont er, dass nicht das Prominentsein sein Antrieb war, vor die Kameras zu treten, sondern «mein Wunsch, gute Stimmung und die Leute mit guter Unterhaltung happy zu machen». Das Entertainer-Gen habe er vom Vater geerbt, der ganze Tischrunden mühelos allein unterhalte. Doch wie das manchmal so ist bei unkonventionellen Karrieren, nahm auch diese ihren Anfang durch eine zufällige Begegnung. Und zwar dort, wo Max Loong es am wenigsten erwartet hätte: in der Schweizer Armee. Übermittlungssoldat Loong lernte in der Rekrutenschule den Neffen von Suzanne Speich kennen, die damals, 1999, zusammen mit Pierre Rothschild den ersten Schweizer Musiksender Swizz – den späteren Viva-Schweiz-Kanal – gegründet hat. Speich und Rothschild waren auf der Suche nach jungen Talenten, luden Max Loong zum Casting ein und wählten ihn unter 600 Mitbewerbern aus. Während sich seine Kollegen mit der Präsentation von Videos begnügten und wenig bis keine Beachtung fanden, avancierte Max Loong schnell zum Aushängeschild. «Nicht, dass ich so viel besser war als all die andern», relativiert er, als müsste er sich für seinen Erfolg entschuldigen. «Aber meine Herkunft war mein Trumpf.» Max Loong sprach als Einziger fliessend und akzentfrei Englisch und konnte darum alle Stars und Sternchen interviewen, die heute Rang und Namen haben: Britney Spears, Enrique Iglesias, Mariah Carey, Christina Aguilera, 50 Cent, Green Day, Oasis. Er nennt die Namen beiläufig, zieht an seiner Zigarette und zeigt ein Lächeln, das wie auf Knopfdruck kommt und verschwindet.


Max Loong hat die Gesten drauf. Seine Mimik hat immer etwas Geschliffenes, fast Abgeklärtes für einen Menschen in seinem Alter. Ein Medienmann, ein Darsteller durch und durch, wenn er am Sonntagabend locker-routiniert die Bühne betritt und 800 erwartungsfreudige Fans in der Maag Event Hall begrüsst. «Härzlich willkomme zu ‹Music Star›!»


Wirkt nicht jeder Satz, jeder Augenaufschlag und jedes Räuspern, als stünde Max Loong schon Jahrzehnte vor der Kamera? Von Kurt Aeschbacher habe er sich so manchen Tipp geben lassen, gesteht er. Dem TV-Vorbild gewährte er Anfang Januar in «Aeschbacher» ein Interview und liess sich in Bezug auf seine Badboy-Rolle im Film «Breakout» zu einer kessen Bemerkung hinreissen: «Vergewaltiger spielen – kein Problem. Mach ich doch gern. Heute bin ich aufgewacht und dachte: Jetzt nimmst du mal den Kurt dran.» Applaus im Saal.


«Als Schauspieler faszinieren mich Rollen, die mir charakterlich fern sind», sagt er zu seiner Rolle als Gewalttäter. «Man muss dafür ja nicht selbst gewalttätig sein, sondern die Mechanismen verstehen, die jemanden zum Täter machen.»


Wie gut, dass Max Loong das Lee Strasberg Theatre and Film Institute in Los Angeles besucht hat; nicht weil er Schauspieler werden wollte oder von Hollywood träumte, «sondern weil ich überzeugt war, dass die intensive Auseinandersetzung mit mir selbst, die diese Schule von den Studenten einfordert, mich generell im Leben weiterbringen könnte.» Schulgründer Strasberg entwickelte und lehrte das so genannte Method Acting, bei dem die totale Identifikation des Schauspielers mit der Rolle erreicht werden soll.


Wie funktioniert das konkret?
In den ersten paar Wochen der Ausbildung fängt man mit einer Übung namens Relaxation an. Das ist aber alles andere als relaxen. Man versucht, jeden einzelnen Muskel des Körpers zu bewegen und zu spüren. In einem zweiten Schritt werden Gefühle körperlich und akustisch artikuliert: Trauer, Wut, Enttäuschung, Verzweiflung, Freude, Glück. Man arbeitet in der Klasse und bekommt mit, wie da die Leute so aus sich rauskommen.


Ist das nicht peinlich?
Es ist gewöhnungsbedürftig. Die Hälfte der Klasse – zumeist Frauen – hat bei uns immer geheult. Die sind vermutlich zum innersten Kern ihres Ichs vorgedrungen und haben die Kontrolle verloren. Aber das ist ja auch das Ziel: nicht spielen, sondern leibhaftig werden. Wichtig war auch die Arbeit mit imaginären Objekten. Man muss sich vorstellen, man halte ein Glas in der Hand. Das ist stundenlanges Training: dasitzen und sich ein Glas in der Hand vorstellen, das nicht existiert. Ich habe es dreimal in einem Jahr geschafft, das imaginäre Objekt tatsächlich zu fühlen. Das war für mich ein Riesenerfolg.


Das tönt sehr anstrengend.
Ist es auch. Manchmal bin ich an diesen Übungen fast verzweifelt und dachte: Warum tue ich mir das eigentlich an? Warum bin ich nicht einfach in der Schweiz geblieben und habe meinen gut bezahlten Job bei Viva behalten?


Vielleicht, weil er das Unterwegssein, das Aufbrechen, um sein Glück zu versuchen, in den Genen hat. Max Loongs Grosseltern väterlicherseits, gebürtige Chinesen, verliessen das Grossreich in den Dreissigerjahren Richtung Malaysia, weil es in China politisch zu instabil war. Max Loongs Eltern – er Malaysier, sie Schweizerin – lernten sich in Asien kennen und folgten zunächst mal ihren Träumen: Sie jobbte in Galerien und Auktionshäusern, er als Fahrer von Autorallyes in Thailand, Vietnam und Laos. Dann kam Max zur Welt. Die ersten drei Jahre verbrachte er in Malaysia, dann zog die Familie nach Zürich. Max besuchte Sekundarschule, Wirtschaftsgymnasium, machte Matura und – der Apfel fällt nicht weit vom Stamm – sofort die Autofahrprüfung.


Das Permis war Voraussetzung für seinen ersten bezahlten Job, über den Max Loong, schon wieder, ins Schwärmen gerät: Einfach super! Er als Parkingboy im Restaurant Sonnenberg von Starkoch Jacky Donatz in Zürich, wo sich Reiche, Schöne und Berühmte die Klinke in die Hand geben. Max Loong stand am Empfang und durfte deren Wagen parkieren. Mercedes, Audi, BMW, Bentley, Jaguar, Ferrari, Porsche – alles, was das Jungenherz im hohen Preissegment begehrt. Der Stundenlohn fürs Parkieren war mässig, das Trinkgeld und das Vertrauen in den Halbwüchsigen dagegen enorm. Ohne Zögern wurden ihm die Schlüssel ausgehändigt, denn er beherrschte seinen Job: Abgesehen von einem Kratzer an einem Audi S8 passierte nie ein malheur.


Aber warum erzählt er uns das alles? «Weil meine Eltern mich lehrten, mich zu bewähren, mein Geld selbst zu verdienen», erklärt Max Loong mit ernster Miene und dreht die gepfefferten Rahmnudeln auf die Gabel. Wir befinden uns inzwischen in einer Pizzeria und geniessen nach dem Fotoshooting im feucht-düsteren Wasserreservoir das trocken-warme Ambiente in einer gemütlichen Quartierbeiz im Universitätsquartier.


Weiterkommen im Leben – nicht stehen bleiben. Für Max Loong war das nicht der Aufstieg auf einer fix definierten Karriereleiter oder ein Hochschulabschluss. «Ich bin ein Praktiker, ein Mann der Taten, und funktioniere nach dem Learning-by-Doing-Prinzip.» Darum zögerte er nicht, als er vergangenes Jahr von MTV Asia das Angebot erhielt, eine eigene wöchentliche Musikshow mit dem Titel «Mobbed» zu moderieren. Er packte den Koffer und zog nach Singapur. «So eine Chance erhält man kein zweites Mal. Aber der Start dort war nicht einfach. Man fängt wieder ganz von vorne an: Zahnbürste kaufen, Wohnung suchen und neue Freunde finden.» Max Loong verschaffte sich Respekt bei den Fernsehkollegen und fand – unter 180 Millionen potenziellen Zuschauern, die das Sendegebiet umfasst – schnell wieder ein begeistertes Publikum. Sein neuer Job entpuppte sich als Glückstreffer, nicht zuletzt, weil der Hauptteil der Sendung unter freiem Himmel produziert wird: in den Strassen von Bangkok und an den Stränden Thailands und der Philippinen. Vor Postkartenkulisse und bei dreissig Grad im Schatten zu arbeiten, sei schon angenehm. Und nur schon der Gedanke daran wieder ein Grund zum Strahlen. Kein Wunder, nennen die asiatischen Kollegen den Mischling aus Europa Prozac, weil der – ganz wie das Antidepressivum – so viel Heiterkeit verbreitet. Apropos Glückspilz:


Was hat es denn nun mit Ihrer Beziehung zur Nichte vom Sultan von Brunei, dem reichsten Mann der Welt, auf sich? Es heisst, Sie seien mit der Prinzessin liiert.
In der Schweiz unterscheidet man oft nur zwischen solo und fester Bindung.
Es handelt sich also bei Ihnen um eine Zwischenform?
Um eine andere Form des Sichkennenlernens: das englische «Daten». Da geht es darum, sich mehr Zeit zu lassen und nicht gleich in eine feste Beziehung reinzuschiessen. Entweder entsteht daraus eine Beziehung – oder eben nicht. Samantha ist eine von den Frauen, mit denen ich befreundet bin. Wir treffen uns, gehen zusammen aus, haben Spass und machen, was junge Leute so zusammen machen.


Man hört ihm gern zu, wenn er daherplaudert. Und fragt sich im selben Augenblick, ob man nicht gerade dabei ist, einem begnadeten Selbstinszenierer und Narziss auf den Leim zu kriechen. Fest steht: Max Loong ist nicht von Selbstzweifeln oder Gefühlen der Unsicherheit gepeinigt. Warum sollte er auch? Vor ihm scheint sich das Leben zu entrollen wie ein feiner, flauschiger Teppich. Bis jetzt jedenfalls. Charme, Fleiss und Talent haben Max Loong beruflich ziemlich weit gebracht und werden ihn noch weiter bringen. Logisch ist man da gut drauf. Und es hilft sicher auch, dass er das Medienbusiness zu gut kennt, um bei negativen Schlagzeilen ernsthaft in Verlegenheit zu geraten. Grundsätzlich motzten Journalisten ja gern mal rum. Da mache er sich gar nichts draus. Und wenn der «Tages-Anzeiger» schreibt, er streiche zu viel Gel ins Haar, zeige das ja nur, dass es für substanzielle Kritik keinen Anlass gibt.


Tatsächlich muss man nicht Talentscout sein, um zu merken: Die Halbwertszeit des Moderators von «Music Star» dürfte diejenige des singenden Siegers locker überbieten. Denn er sitzt, im Gegensatz zu den stets leicht überdrehten Gesangsvögeln, seit sechs Jahren fest im Mediensattel – und bleibt dabei ganz entspannt.

 

 


Max Loong über …
Heimat: Die Schweiz. Hier bin ich aufgewachsen und habe meine Jugend verbracht. Durch meinen Job bei MTV Asia lernte ich aber schnell viele Leute in Singapur kennen und fand Gefallen am Chaos, das diese multikulturelle Metropole bietet. Momentan fliege ich oft zwischen Europa und Asien hin und her. Nach «Music Star» werde ich aber wieder zur Hauptsache in Singapur weilen und ein Nobody unter 4.2 Millionen Stadtbewohnern sein.
Geld: Ich hatte, seit ich 18 bin, immer einen Job. Weil ich die Fernsehmoderation anfangs eher hobbymässig betrieb, heuerte ich gleichzeitig bei American Express an. Dort arbeitete ich im Callcenter und erinnerte säumige Zahler an ihre Pflichten. Momentan verdiene ich ziemlich gut. Vor allem an den TV-Spots in Asien, weil die Reichweite so gigantisch ist. Ich bin mir jedoch bewusst: Die schönsten Sachen im Leben sind gratis – Freundschaft, Familie, Liebe, Sex.
Gewalt: Wenn es eskaliert, verteidige ich mich verbal. Die Fäuste gebrauche ich nicht. Denn die Kommunikation ist meine Stärke.