PUBLIKATION

das Magazin
 

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

24.11.2005

SPRECHEN SIE GENDER?

 

Amt für Sprachhygiene

 

Es ist lange her, aber die Erinnerung an die Blütezeit der feministischen Sprachkritik ist noch frisch. Richtig, es geht um das grosse –I, um politisch korrekte Lehrpersonen und Kauffrauen, die Mitte der achtziger Jahre die Männerlastigkeit im deutschen Sprachsystem korrigieren sollten. In der Agenda energischer Linguistinnen und Politikerinnen hat die Gleichstellung in Wort und Schrift heute zwar keine Priorität mehr und dann und wann schleicht sich plötzlich ein bislang arg getadeltes «man» in Texte.Wer nun aber glaubt, nach einer Phase des gesteigerten Bewusstseins kehre sich alles wieder zum Gewohnten, irrt. Die feministische Sprachkritik erlebt ihre Renaissance und erhebt ihr tumbes Haupt! Wie ein aktuelles Beispiel aus der Nachbarschaft zeigt.

 

Die deutsche Regierung will nämlich die Pharmaindustrie zwingen, ihre Beipackzettel künftig «geschlechtergerecht» zu formulieren. Mussten die Pillenhersteller den Konsumenten bislang raten, für weitere Auskünfte den «Arzt oder Apotheker» zu befragen, soll es künftig heissen: «Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage, holen Sie ärztlichen Rat ein und fragen Sie Ihre Apothekerin oder Ihren Apotheker.» Ob solch einem wohl formulierten Satz – vorgeschlagen  vom deutschen Frauenministerium und der Gesellschaft für deutsche Sprache -  fragt sich die Schweizer Frau natürlich zurecht: Wie viele Apothekerinnen sind hierzulande von Patientinnen und Patienten einfach links liegengelassen, schnöde ignoriert, ja nachgerade diskriminiert worden, wenn diese, stur dem Hinweis folgend, einfach nach dem Apotheker verlangten, obwohl eine Apothekerin genauso als Ansprechpartnerin zugegen gewesen wäre? «Die vom Arzt verordnete Dosierung  darf nicht überschritten werden», heisst es noch immer auf Schweizer Beipackzetteln. «Informieren Sie Ihren Apotheker, wenn Sie an anderen Krankheiten leiden.» Und dies, obwohl achtzig Prozent der Pharmaziestudierenden hierzulande weiblich sind.

 

Für die Variante aus Deutschland gibt es – wie immer – ein Dafür und Dawider. Die deutsche Arzneimittelindustrie findet am gendergerechten Satz keinen Gefallen, da durch dessen Länge der Warneffekt verloren gehe. Sie fürchtet zudem, Drogistinnen könnten nun ebenfalls verlangen, erwähnt zu werden. Von den Fernseh- und Radioanstalten, die ihre Spots pro Sekunden verrechnen, gab es bislang selbstredend keine Einwände. Im Gegenteil: Gender beschert der gebeutelten Medienbranche nun unverhofft eine Zusatzeinnahme.