PUBLIKATION

Facts
 

TEXT

Sabine Windlin und Michael Marti

DATUM

13.1.2000

EHEKRACH UM GLEICHE RECHTE

 

Auch Homosexuelle wollen den Bund fürs Leben. Missachtung des göttlichen Schöpfungplans oder ein Gebot der Zeit? Ein Streitgespräch.

 

FACTS: Herr Waber, Sie sind seit 27 Jahren verheiratet. Können Sie Herrn Baur die Ehe empfehlen?


Christian Waber: Ja. Sehr sogar. Ich bin sehr glücklich verheiratet. Für mich ist die Ehe eine der erfolgreichsten gesellschaftlichen Institutionen überhaupt.


FACTS: Wieso wollen Sie denn verhindern, dass Herr Baur diejenige Person heiraten darf, die er liebt?


Waber: Weil Herr Baur homosexuell ist. Die Ehe soll exklusiv den Heterosexuellen vorbehalten sein.


François Baur: Herr Waber, ich finde es wunderbar, dass Sie eine solch schöne Ehe führen. Genau das wollen die Schweizer Schwulen und Lesben mit einer registrierten Partnerschaft jetzt auch. Und es dürfte Sie in diesem Zusammenhang interessieren, dass bei Schwulen- und Lesben-Ehen die Scheidungsrate viermal tiefer ist als bei Heterosexuellen. Das zeigt eine Studie aus Dänemark, wo Homosexuelle bereits heiraten dürfen.


Waber: Ich streite nicht ab, dass gleichgeschlechtliche Partner dieselben Gefühle füreinander haben können wie heterosexuelle Eheleute. Und dass sie auch treu sein können. Aber: Ehen von Homosexuellen entsprechen nicht dem göttlichen Schöpfungsplan.


Baur: Es geht nicht darum, was die Bibel zur Homosexualität sagt. Es geht darum, dass der Staat den Homosexuellen die gleichen Rechte gewährt wie den Heterosexuellen. Eigentlich müsste ja die Regierung uns beweisen, warum wir nicht dieselben Rechte haben dürfen. Und nicht die Schwulen und Lesben, weshalb sie diese wollen.


FACTS: Herr Waber, Sie sind ja päpstlicher als der Papst. Verschiedene Kantonalkirchen führen Segnungen für Homosexuelle Partnerschaften durch. Sogar die Bischofskonferenz hat sich für registrierte Homo-Partnerschaften ausgesprochen.


Waber: Meine Partei, die Eidgenössische Demokratische Union, brachte für eine Petition über 88 000 Unterschriften gegen die Gleichstellung von homosexuellen Paaren zusammen. Wir halten nichts vom abgegriffenen Begriff der Toleranz, auf den sogar religiöse Kreise aufspringen. Und ob es tatsächlich der Segen Gottes ist, den diese Homo-Paare erhalten haben, das wage ich zu bezweifeln.


BAUR: Ich habe keine Lust, derartige religiöse Auffassungen zu kommentieren. Jeder soll nach seiner Fasson glücklich werden. Doch die Ehe ist in der Schweiz klar von der kirchlichen Trauung getrennt.


FACTS: Herr Baur, in der Praxis bewährt sich das Ehemodell doch immer weniger. Wollen nun auch noch die Schwulen und Lesben einem überholten Ideal nachleben?


BAUR: Nein. Es geht vielmehr darum, rechtliche Diskriminierungen auszuräumen.


Waber: Heutzutage werden Homosexuelle gar nicht mehr diskriminiert.


BAUR: Doch. Und zwar in diversen Lebensbereichen. Beispiel eins: Ein ausländischer Ehepartner, der hetero ist, erhält sofort das Aufenthaltsrecht in der Schweiz. Nicht aber ein homosexueller Ausländer, der mit seinem Freund in der Schweiz wohnen will. Beispiel zwei: Heterosexuelle Flüchtlinge, die im Konkubinat leben, dürfen zusammen in die Schweiz reisen. Für ein homosexuelles Flüchtlingspaar gilt dies nicht.


Waber: Falsch. Es gibt einen Bundesgerichtsentscheid, wonach auch im Falle einer homosexuellen Beziehung ein Recht auf Niederlassung besteht.


BAUR: Ich kenne diesen Entscheid, er wurde sehr restriktiv ausgelegt. Das zeigt mein drittes Beispiel: In Zürich war eine Schweizerin gezwungen, nach Neuseeland auszuwandern, weil ihre neuseeländische Lebenspartnerin - mit der sie seit fünf Jahren eine Partnerschaft führte - keine Niederlassung in der Schweiz erhielt. Das ist doch eine Frechheit!


Waber: Beruhigen Sie sich. Auch heterosexuelle Frauen und Männer, die im Konkubinat leben, werden gegenüber Verheirateten benachteiligt. Im Steuerrecht beispielsweise stehen die Ehepaare schlechter da als die Ledigen. Das müssten Sie wissen, Herr Baur, Sie sind Jurist.


BAUR: Es ist richtig, dass Verheiratete steuertechnisch schlechter dastehen als Nichtverheiratete. Doch damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt: Wir Schwulen und Lesben wollen nicht nur von den Vorteilen der Ehe profitieren. Wir sind bereit, auch die Pflichten eines Ehepaars zu übernehmen.


Waber: Das können Sie gar nicht. Weil ein homosexuelles Paar bekanntlich keine Kinder zeugen kann. Die Reproduktion ist eine der wichtigsten Aufgaben der Ehe. Mann und Frau garantieren die Fortpflanzung, deshalb gewährt ihnen der Staat mit der Ehe einen besonderen Schutz.


BAUR: Dann müssten Sie kinderlose Hetero-Ehen verbieten.


FACTS: Herr Waber, wenn die Schwulen und Lesben nun nach geordneten Verhältnissen streben, müsste das Ihnen als rechtsbürgerlichem Politiker eigentlich gefallen?


Waber: Unser Rechtsstatt ist geordnet. Die Homosexuellen, eine Minderheit, wollen nun die ganze Rechtsordnung auf den Kopf stellen.


BAUR: Für Sie würde wohl die Welt untergehen, wenn ich meinen Freund heiraten dürfte?


Waber: Die Welt geht ohnehin irgendwann unter. Aber solange sie existiert, müssen wir gewisse Werte respektieren. Ein Zusammenleben auf Erden ist letztlich nur auf der Basis der zehn Gebote möglich. Homosexualität missachtet den Schöpfungswillen Gottes.


FACTS: Herr Baur, als Schwuler sind Sie offenbar eine Fehlkonstruktion?


BAUR: Geht man von der angeblichen Unfehlbarkeit Gottes aus, ist das eigentlich nicht möglich. Homosexuelle machen zwischen fünf und zehn Prozent der Bevölkerung aus. Es gibt mehr Schwule und Lesben in der Schweiz als Bauern.


FACTS: Herr Waber, haben Sie etwas gegen Schwule?


Waber: Es geht hier nicht um Schwule als Personen, sondern ums Schwulsein als Sache.


BAUR: Wenn Sie nichts gegen Schwule haben, warum gründeten Sie ein Komitee gegen die Homosexuellen-Olympiade, Eurogames 2000, in Zürich?


Waber: Diese Eurogames sind kein Sportanlass, sondern eine Propagandaveranstaltung: Die Organisatoren nutzen die Olympiade, um für homosexuelles Treiben zu werben. Eine Gesellschaft, die Homosexualität fördert, zerstört sich selbst.


BAUR: Ich kann Sie beruhigen: Ich habe noch aus keinem Heterosexuellen einen Homosexuellen gemacht. Schwulsein ist eine Veranlagung, die man nicht steuern kann. Niemand muss Angst haben, dass mit einer registrierten Partnerschaft für Homosexuelle alle Schweizerinnen und Schweizer Schwule und Lesben würden.


FACTS: Herr Baur, befürchten Sie nicht, dass sich die Schwulen und Lesben mit ihren politischen Forderungen Sympathien in der Öffentlichkeit verscherzen?


BAUR: Nein. Eine repräsentative Meinungsumfrage vom Mai 1999 zeigt vielmehr, dass 53 Prozent der Schweizerinnen und Schweizer für die Heirat von Homosexuellen sind.


Waber: Das beweist bloss, wie aggressiv und militant die Schwulen und Lesben Lobbyismus betreiben...


BAUR: ... und wie erfolgreich wir das tun.


Waber: Wir werden auf jeden Fall das Referendum ergreifen, wenn es zu einer Aushöhlung der Ehe kommen sollte.


BAUR: Haben Sie persönlichen Kontakt zu Schwulen, Herr Waber?


Waber: Ein guter Kollege von mir, verheiratet und Vater von zwei Kindern, hat mir kürzlich erzählt, dass er eigentlich schwul sei. Er ist ein hervorragender Vater, denn er lebt sein Schwulsein nicht aus.


BAUR: Aber er ist schwul.


Waber: Auch ich habe Neigungen, die ich nicht auslebe. Wenn ich alles ausleben würde, was ich fühle, könnte ich vielleicht zum Mörder werden.


BAUR: Ich verbitte es mir, Schwule mit Mördern zu vergleichen.


Waber: Das tu ich nicht, ich spreche von mir persönlich. Ich habe Neigungen, die ich nicht ausleben kann.


FACTS: Was zum Beispiel?


Waber: Gewisse sexuelle Fantasien.


FACTS: In einem Interview mit der Zürcher Jugendzeitschrift «Toaster» sagten Sie, Sie seien «anfällig auf Pornografie». Haben Sie ein Sexproblem?


Waber: Nein. Weil ich diese Neigung unterdrücken kann. Wir sind heute vielen sexuellen Reizen ausgesetzt - aber diese muss man überwinden.


FACTS: Herr Baur, müssen Sie sich auch so kontrollieren?


BAUR: Nein. Ich empfinde meine Sexualität als natürlich. Sonst hätte ich sie nicht.

 

 


Gesprächs-Teilnehmer
++ François Baur
Der 36-Jährige ist seit zwei Jahren Vorstandsmitglied der Schwulen- und Lesben-Organisation Pink Cross, die in der Schweiz für die Rechte der Schwulen kämpft. Baur arbeitet als Jurist im Bundesamt für Kultur und lebt in Zürich.
++ Christian Waber
Der Präsident der Eidgenössischen Demokratischen Union ist seit 1997 im Nationalrat. Die EDU reichte bereits 1995 eine Petition für die «Förderung gesunder Familien und gegen die Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Paare» ein. Waber, 52, ist von Beruf Bauberater und lebt mit seiner Frau und den vier Kindern in Wasen, Emmental.


Gleichstellung
Umstrittene Partnerschaft
Nachdem der Bundesrat einen Bericht zur Rechtsungleichheit zwischen homosexuellen Partnerschaften und heterosexuellen Ehen veröffentlicht hatte, sprachen sich Anfang dieses Monats die Regierungsparteien für gesetzliche Änderungen aus. Trotzdem ist eine registrierte Partnerschaft für Homosexuelle, wie sie etwa in Schweden, Frankreich oder in den Niederlanden bereits existiert, hier zu Lande in weiten Kreisen umstritten: Die Eidgenössische Demokratische Union beispielsweise droht mit dem Referendum, sollte die Homosexuellen-Ehe realisiert werden.
Die ungeschützte Rechtsposition von homosexuellen Paaren führt immer wieder zu Benachteiligungen.
++ Erbschaft: Homosexuelle Partner können einander ohne Erwähnung im Testament nicht beerben. Stirbt ein Partner unerwartet, geht der Überlebende leer aus. Auch die Erbschaftssteuer ist in den meisten Kantonen für homosexuelle Partner höher als für Eheleute.
++ Sozialversicherung: Homosexuelle haben im Todesfall kein Recht auf Witwenrente. Auch die meisten Pensionskassen benachteiligen Partner von Schwulen und Lesben.
++ Adoption: Gleichgeschlechtliche Paare dürfen keine Kinder adoptieren. Rechtlich ist zwar die Adoption durch eine Einzelperson möglich, doch die Vermittlungsstellen berücksichtigen in der Regel nur verheiratete Paare.
++ Besuchsrecht: Weil homosexuelle Lebenspartner nicht den Rechtsstatus von Angehörigen besitzen, bekommen sie in Spitälern und Gefängnissen oft kein Besuchsrecht und erhalten keine Auskunft über den Gesundheitszustand ihrer Partner.