PUBLIKATION

Schweizer Familie
 

TEXT

Sabine Windlin

DATUM

10.9.2006

ICH, FETT?

 

Amt für Körpergewicht

 

Zuerst die Fakten: 2,2 Millionen Menschen in der Schweiz sind übergewichtig -- Die finanziellen Folgen des Schwergewichts belaufen sich jährlich auf 2 bis 3 Milliarden Franken -- Jedes fünfte Kind bringt zu viele Kilos auf die Waage -- Übergewicht ist die Epidemie des 21. Jahrhunderts -- Bis ins Jahr 2010 werden laut Prognose etwa 20 Prozent aller Europäer, also 150 Millionen Menschen, fettsüchtig sein.

 

Derart bewusst war ich mir der Problematik nicht. Aber seit Thomas Zeltner, seines Zeichens Chef des Bundesamts für Gesundheit, das Thema auf die Prioritätenliste der politischen Agenda setzte, die deutsche Bundesregierung den «Nationalen Aktionsplan fit statt fett» lanciert und die Weltgesundheitsorganisation WHO eine europäische «Charta gegen Übergewicht» angekündigt hat, bin auch ich fürs Dicksein sensibilisiert. Ich sehe jetzt überall Dicke.

 

«Aha!», denke ich, den Blick prüfend über Bauch, Po und Beine (die moderne Dreieinigkeit der heutigen Wellness-Kultur) meiner Mitbürger schweifend, «schon wieder einer von den Faulen und Fressern, von den Bewegungs- und Gemüseverweigern, von den Schokoladen- und Pommes-Monstern, die mit ihren raumfüllenden Massen in einem fort die Ästhetik unserer Städte verschandeln, den Platz auf dem Trottoir rauben und der Krankenversicherung auf der Tasche liegen.»

 

Es ist grösste Eile geboten, dachte ich unlängst, auch bei mir, ein fettresistentes Pölsterchen um meine Hüfte fixierend.Dann errechnete ich den viel zitierten Body Mass Index (Körpergewicht in Kilos geteilt durch Körpergrösse in Metern, in meinem Fall 53:1.69). Das Resultat (31.3) war unfassbar, denn laut WHO gilt als fettleibig, wer einen BMI von über 30 hat. Ich, fett? 35 Jahre lang, lebte ich im Glauben, eine gute Figur zu machen und heimste entsprechende Komplimente ein. Nun belehrt mich mein eigener Taschenrechner eines Besseren und teilt mir mit, ich sei dick. Das ist unerhört!

 

Ich überprüfte die Zahlen und stiess auf einen Rechenfehler. Nicht durch 1.69 galt es die Kilogramme zu dividieren, sondern durch diese Zahl im Quadrat, also 2.86. Das Resultat lautet jetzt 18,557 war aber gleichwohl nicht minder beunruhigend, denn die Tabelle der WHO signalisierte beim Wert 18.5 Untergewicht.  Wild entschlossen, fortan Sport durch TV und Gurkensalat durch Erdnüsse zu ersetzen, erarbeitet ich meinen eigenen «fett statt fit»-Plan, um an Gewicht zuzulegen. Soweit kam es jedoch nicht. Denn die errechneten 18,557 galt es auf eine Kommastelle zu runden, was den Wert 18,6 ergab. Also doch Traumfigur. Danke WHO!